Buchbesprechung: „Industrienatur auf Zollverein“

Eine Entdeckungsreise durch das Ökosystem auf Zollverein

Seit der Stilllegung von Zeche und Kokerei am 23. Dezember 1986 bzw. 30. Juni 1993 erobert sich die Natur das 100 Hektar große Terrain zurück. Als UNESCO-Welterbe Zollverein hat die ursprüngliche Zeche und Kokerei weit über die Grenzen des Ruhrgebiets hinaus als Industriedenkmal Bekanntheit erlangt, was mit dem Kulturhauptstadtjahr RUHR.2010 noch begünstigt wurde: Das Industriedenkmal hat sich zur größten Touristenattraktion der Region entwickelt. Als Grundlage für die Landschafts­gestaltung diente der Masterplan „Industrielandschaft Zollverein“ der Landschaftsarchitekten von Agence Ter unter der Leitung von Henri Bava, woraus der Zollverein Park entstanden ist, der eindrucksvoll unter Beweis stellt, dass innerstädtische Industriebrachen wichtige Lebenräume für Tiere und Pflanzen im stark besiedelten Ruhrgebiet sein können. Gleichzeitig ist der Zollverein Park aber auch ein attraktives Freizeit- und Naherholungsgebiet, wo Sitzgelegenheiten, Picknickplätze und Aussichtspunkte zum Verweilen einladen.

Gleisbrache

Eine gute Möglichkeit, die Flora und Fauna auf dem UNESCO-Welterbe Zollverein auf eigene Faust zu erkunden, bietet die aktuelle Wanderkarte „Natur auf Zollverein“, die kostenlos im RUHR.VISITORCENTER Essen erhältlich ist. Ausführlichere Informationen liefert die Publikation „Industrienatur auf Zollverein“, die im März 2017 im Klartext Verlag erschienen ist. Dieser Naturführer aus der Kleinen Schriftenreihe des Ruhr Museums lädt zu einer Entdeckungsreise durch das Ökosystem auf Zollverein ein. Der Rundgang über das Gelände führt über die Gleisharfe zu den offenen schwarzen Rohböden der Halde, durch lichten Industriewald zum Färbergarten und zu stillgelegten Industrieanlagen.

Halde Zollverein

Beim Spaziergang über das Gelände können Besucher interessante Informationen zur Industrienatur auch mit ihrem Smartphone abrufen. An den zwölf Stationen, die in der Publikation und der Naturwanderkarte beschrieben sind, liefern gelbe Holzstelen mit QR-Codes weiterführende Informationen zur Tier- und Pflanzenwelt der Industriebrache.

gelbe Holzstelen mit QR-Codes liefern weiterführende Informationen zur Tier- und Pflanzenwelt der Industriebrache

Zwei Stunden sollte man für den kompletten Rundgang „Industrienatur auf Zollverein“ schon einplanen, besser etwas mehr, auch wenn der Rundweg nur etwa 3 Kilometer lang ist. Den größten Teil kann man auf den befestigten Wegen der Ringpromenade zurücklegen, da der Rundgang aber auch über unbefestigtes Gelände auf der Bergehalde Zollverein führt, ist er nicht barrierefrei. Wer nicht so viel Zeit investieren möchte, kann einen kürzeren Rundgang mit acht Stationen wählen, die sich ausschließlich auf Zechengelände befinden und das Areal der Kokerei aussparen.

Halde Zollverein

Nun sind Pflanzenwachstum und -blüte natürlich saisonabhängig, niemand wird also erwarten, jederzeit alle Pflanzen auf Zollverein in voller Blüte vorzufinden. Außerdem herrscht augenblicklich auf Zollverein eine rege Bautätigkeit, beispielsweise auf der Kokerei, aber auch das ehemalige Stellwerk am Färbergarten wird saniert – und hoffentlich nicht klammheimlich abgebrochen, so dass es dort außer einer Baustelle zur Zeit nichts zu sehen gibt. Ungeachtet dessen beschreibt Ester Guderley im Kapitel über den Färbergarten Zollverein die Farbenherstellung aus Pflanzen, die erst mit der Entwicklung der Kohlenchemie durch synthetische Farbherstellung abgelöst wurde.

Bergehalde mit Birken

Mit freilebenden Tieren ist es immer so eine Sache, entweder man hat Glück und sieht das ein oder andere, oder man hat eben kein Glück. Ich persönlich habe noch niemals Fledermäuse in freier Natur gesehen, auch nicht über der Kokerei Zollverein, und das Dach der Unternehmenszentrale der RAG Montan Immobilien, auf dem Honigbienen von einem Imker betreut werden, ist auch nicht für jederman frei zugänglich, von daher sind die Aufsätze über Insekten, Fledermäuse, Wildbienen und Honigbienen und Gebäudenutzer mit den dazugehörigen Fotos ausgesprochen interessant, auch wenn man eben nicht alles mit eigenen Augen sieht.

Skulpturenwald von Ulrich Rückriem auf der Halde Zollverein

Kreiselkipper

Cover „Industrienatur auf Zollverein“, © Klartext Verlag. Umschlaggestaltung: Uwe Lösch, Umschlagbild: Ester Guderley

„Industrienatur auf Zollverein“
1. Auflage März 2017
Kleine Schriften des Ruhr Museums, Band 5
Herausgeber Heinrich Theodor Grütter, Ruhr Museum
Redaktion Ester Guderley
Autoren Ester Guderley, Annette Herberg, Timothy Hornby, Peter Keil, Martin Sclüpmann, Michael Schoch, Nora Scholpp, Anna Thelen
72 Seiten, 47 farbige Abbildungen
Erschienen im Klartext Verlag, Essen
ISBN 978-3-8375-1775-0
9,95 €


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