„Aberglaube“ – Moderne Kunst trifft archäologische Funde

Sonderausstellung im LWL-Museum für Archäologie in Herne

LWL-Museum für Archäologie in Herne

Kommt die schwarze Katze von links, bedeutet das Pech. Zerbricht der Spiegel, gibt es gleich sieben Jahre Unglück. Diese und vergleichbare Lebensweisheiten verstehen wir unter „Aberglaube“. Doch was ist eigentlich Aberglaube, wie grenzt er sich vom „echten“ Glauben ab? Diesen Fragen geht die Sonderausstellung „Aberglaube“ im LWL-Museum für Archäologie in Herne vom 17. Mai bis 1. November 2015 auf den Grund. Dabei stellt sie archäologische Objekte mit kultischem Hintergrund neben aktuelle Kunstwerke der Kölner Künstlerinnen Ines Braun (* 1964 in Duisburg) und Iris Stephan (* 1969 in Bad Ems), die ebenfalls das Thema „Glaube“ oder „Aberglaube“ behandeln. Ines Braun und Iris Stephan spüren manchmal tiefgründig und mehrdeutig, manchmal augenzwinkernd Symbolen, Handlungen, Objekten, Zeichen und Worten nach, die sich mit dem Aberglauben im Alltag und darüber hinaus verknüpfen. Mit Objektkunst und Malerei oder Zeichnung auf Installation werden mystische Vorstellungen, geheimnisvolle Riten und Alltagsmagie präsentiert.

Aus zwei Welten: Löwenmensch (Kopie, alter Restaurierungszustand), Fundort Hohenstein-Stadel, Baden-Württemberg, 40.000 bis 35.000 v. Chr.

Die moderne Kunst steht aber nicht für sich allein. Sie bildet mit der Archäologie eine „Wohngemeinschaft“. Götterstatuen, Funde aus Kultstätten, Gräber und Schreine beleuchten über mehrere Epochen hinweg die Wurzeln abergläubischer Vorstellungen. Die künstlerischen Antworten der Gegenwart und Moderne finden sich in unmittelbarer Nähe und laden die Besucher ein, sich ihr eigenes Bild über Glauben und Aberglauben zu machen. Die Moderne Kunst präsentiert unheimliche Dinos, die hier im Käfig als „Hausdrachen“ gebändigt werden, die Archäologie präsentiert einen Drachen auf einem mittelalterlichen Leuchterfuß, Symbol für das Böse in der Welt, über das das Licht Christi siegt.

„Hausdrachen“, Iris Stephan, 2014

Von der mumifizierten Katze als Bauopfer und der unmittelbaren Gegenüberstellung mit der künstlerischen Darstellung „Zwei Hexen in Katzengestalt“ bis zum „Dämon“ aus entsorgten Alltagsgegenständen, der im archäologischen Fund seine historische Wurzel findet: 250 Ausstellungsstücke haben die Künstlerinnen zusammengetragen, darunter auch das wohl eindrucksvollste Exponat: 200 Rehschädel haben Ines Braun und Iris Stephan zu einer „Wilden Jagd“ zusammengestellt. Was nach altem Volksglauben zwischen Weihnachten und Neujahr während der Rauhnächte durch die Lüfte braust, erlebt hier seine Materialisierung in der Kunst. Auch hierin findet sich eine von vielen Antworten auf die Frage, worin sich eigentlich das Herz des Aberglaubens verbirgt – in Mystik, Magie, Absurdität, Geheimnis. „Aberglaube“ ist die erste große Kunstausstellung des LWL-Museums für Archäologie.

„Die wilde Jagd“, Ines Braun und Iris Stephan, 2011/12

„Das letzte Abendmahl“, Iris Stephan, 2010

Iris Stephan persifliert augenzwinkernd den Aberglauben, dass Scherben Glück bringen. Wahrscheinlich geht der Ursprung auf alte Opferrituale zurück, in denen das Zerschlagen der Opferschalen am Ende einer Zeremonie eine wichtige Bedeutung hatte. Scherbenrituale findet man heute noch z.&thinsp.B. bei Schiffstaufen. Dem Fuchs haben die Scherben allerdings kein Glück gebracht. Das Titelzitat von Agatha Christie unterstreicht, wer der Nutznießer ist.

„Scherben bringen Glück – aber nur dem Archäologen“ (Zitat von Agatha Christie), Iris Stephan, 2014

„Dämon“, Ines Braun, 2011

Unter dem Deckmantel der keuschen Wasserträgerin offenbart sich, wie aus Versehen, die wilde, tierische Natur der Protagonistin. Da auch der Teufel nur anhand seines Bocksbeines vom normalen Mann unterschieden werden kann, verleiht die Tatze der harmlos scheinenden Figur ähnliche Deutungsvielfalt.

„Böses Mädchen“, Iris Stephan, 2014

Das „Eier-Orakel von Delphi“ als Ei auf einem dreibeinigen Stuhl soll Assoziationen mit der Priesterin in dem antiken griechischen Heiligtum wecken. Die Orakelpriesterin saß auf einem Dreifuß über einer Erdspalte, aus der ein geheimnisvolles Gas quoll, das sie in Trance versetzte. Man glaubte, dass in diesem entrückten Zustand der Gott Apollon aus ihr sprach. Heute nimmt man an, dass es sich bei dem Gas um eine Mischung aus Methan und Kohlendioxid handelte, das bei den Prieserinnen Sauerstoffmangel verursachte.

„Eier-Orakel von Delphi“, Iris Stepahn, 2011

Statuette des Gottes Merkus aus Bronze, Schläfen- oder Ohrringe aus Silber und Gold, Orakelstäbchen aus Bronze, Fundort Beelen, Kreis Warendorf, 1. Jahrhundert (Statuette), 4. Jahrhundert (übrige Objekte)

Ines Braun bezieht sich mit ihrer Arbeit „Schaukel-Nkisi“ auf afrikanische Kraftfiguren, die „Nkisi-Skulpturen“. Sie dienen als Gefäße für übernatürliche Mächte und sind mit mineralischen, tierischen oder pflanzlichen Substanzen gefüllt, die die gewünschte Kraft anlocken sollen. Für jedes menschliche Problem, aber auch für die Abwehr von von Bösem und sogar für den Abschluss von Verträgen ist ein bestimmter „Nkisi“ zuständig. Jeder Einschlag eines Metallstückes aktiviert den bewohnenden Geist und setzt einen Teil der Kraft frei.

„Schaukel-Nkisi“, Ines Braun, 2015

Bestattung mit Beigaben, Fundort Petershagen-Ilse, Kreis Minden-Lübbecke, um 550 v. Chr.

In Blomberg soll im Jahr 1460 eine Bürgerin namens Alheyd 45 geweihte Hostien für einen Liebeszauber gestohlen und dan aus Angst vor Entdeckung in einen Brunnen geworfen haben. Sie wurde als Hexe bezeichnet, verurteilt und verbrannt. Der Brunnen soll kurz darauf wundertätig geworden sein, so dass es ein immer größeres Pilgeraufkommen gab. Die Wallfahrt wurde vom Landesherrn als Konjunkturmaßnahme gefördert. Eine Einnahmequelle war der Verkauf von Pilgerzeichen als Souvenir und Nachweis des Besuches an die Gläubigen. Das Motiv, welches die Versenkung der Hostien darstellt, wurde von kirchlicher Seite kritisiert, da es das Verbrechen wiedergibt. Es handelt sich bei dem Prozess gegen Alheyd um einen vergleichsweise frühen Hexenprozess, der Schwerpunkt der Verfolgung lag im 16./17. Jahrhundert.

Pilgerzeichen, Fundort Werburg in Spenge, Kreis Herford, 15. Jahrhundert

Der Glaube an Magie, Zauberei und Tiermenschen gehörte lange Zeit zum alltäglichen Leben. Hexensabbat und Teufelsbuhlschaft wurden als ebenso real angesehen wie Ritte auf Besen und Flugsalbe aus Säuglingshaut. So verschieden die Vorwürfe der Hexerei waren und so unterschiedlich die Folterungen im Prozessverlauf, eins eint alle Hexen und Zauberer: Sie waren Opfer des Aberglaubens. Das Projekt „In Memoriam – In Gedenken an die Opfer von Hexenprozessen“ erinnert an einzelne Menschen, deren Geschichte im Laufe der Zeit nicht gänzlich verloren gegangen ist. Die aufgeschnittenen Handtschen sollen die an die Öffentlichkeit gezerrte Intimität der Angeklagten symbolisieren.

„In Memoriam – In Gedenken an die Opfer von Hexenprozessen“

Die Bibel auf dem Becher: Trichterhalsbecher, Fundort Schloss Horst, Gelsenkirchen, 16. Jahrhundert

Auch der Eintritt in die Sonderausstellung ist ungewöhnlich: Anstelle eines festen Betrages kann jeder selbst entscheiden, wie viel ihm oder ihr dieser Besuch wert war – mit einem ganz persönlichen Beitrag im „Wunschbrunnen“. Während des Ausstellungszeitraums vom 17. Mai bis 1. November 2015 gibt es ein Begleitprogramm – von Führungen über Vorträge bis hin zur Künstlerwerkstatt. Nähere Informationen unter www.aberglaube-ausstellung.lwl.org. Das LWL-Museum für Archäologie in Herne ist „Eintritt frei“-Partner der RUHR.TOPCARD 2015 und bietet den Inhabern der Erlebniskarte für das Ruhrgebiet ganzjährig einmalig freien Eintritt in die Dauerausstellung und ermäßigten Eintritt in das GrabungsCAMP und Sonderausstellungen. Gilt nicht bei Sonderveranstaltungen wie der ExtraSchicht am 20. Juni 2015, bei der ein buntes und zugleich magisches Programm die Sonderausstellung „Aberglaube“ in den Mittelpunkt rückt. Am kommenden Sonntag, 17. Mai 2015 erhebt das Museum im Rahmen des Internationalen Museumstages keine Gebühr für den Eintritt in die Dauerausstellung.

Aberglauben im Alltag: Schornsteinfeger

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