Theater Hagen: „Die Comedian Harmonists Teil 2 – Jetzt oder nie“

„Die Comedian Harmonists Teil 2 – Jetzt oder nie“ – nach der Biografie der sechs Gründungsmitglieder der „Comedian Harmonists“ und der Geschichte der Nachfolgegruppen „Comedy Harmonists“ und „Meistersextett“; Musikalische Einrichtung und Arrangements: Jörg Daniel Heinzmann; Buch: Gottfried Greiffenhagen; Inszenierung, Choreografie: Thomas Weber-Schallauer; Choreografie: Alfonso Palencia; Ausstattung: Peter Palmowski; Lichtdesign: Achim Köster; Sounddesign: Matthias Woelk; Dramaturgie: Maria Hilchenbach; Musikalischer Leiter: Andres Reukauf. Darsteller: Klaus Brantzen (Der alte Harry Frommermann), Björn Christian Kuhn (Asparuch „Ari“ Leschnikoff u. a.), Olaf Heye (Erich Abraham Collin u. a.), Richard van Gemert (Roman Cycowski u. a.), Jan Andreas Kemna (Harry Frommermann u. a.), Christoph Scheeben (Robert Biberti u. a.), Andres Reukauf (Erwin Bootz u. a.). Uraufführung: 18. Februar 2005, Komödie Dresden. Premiere: 28. März 2015, Theater Hagen, Großes Haus.



„Die Comedian Harmonists Teil 2 – Jetzt oder nie“


Das theaterhagen knüpft mit der Fortsetzung nahtlos an den Erfolg der vergangenen Spielzeiten an


Zur Jahreswende 1927/28 wurden auf Initiative von Harry Frommermann „The Melody Makers“ gegründet, Erik Charell regte 1928 die Umbenennung in „Comedian Harmonists“ an. In den folgenden Jahren eroberten Ari Leschnikoff als erster Tenor, Erich Abraham Collin als zweiter Tenor, Harry Frommermann als dritter Tenor, Roman Cycowski als Bariton, Robert Biberti als Bass und Erwin Bootz als Pianist Konzertsäle auf der ganzen Welt, am 21. Januar 1932 traten die „Comedian Harmonists“ sogar in der Berliner Philharmonie auf.
 Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten am 30. Januar 1933 findet der Aufstieg ein abruptes Ende, es kam wegen der drei „nicht-arischen“ Mitglieder Harry Frommermann, Roman Cycowski und Erich A. Collin zu ersten Einschränkungen der Auftritts­möglichkeiten für die „Comedian Harmonists“. Das letzte öffentliche Konzert fand im Februar 1935 in Fredrikstadt in Südnorwegen statt. Am 22. Februar 1935 wurden die „Comedian Harmonists“ endgültig verboten, und durch die erzwungene Emigration der drei jüdischen Mitglieder wurde die Gruppe am 10. März 1935 für immer getrennt.
 2005 schrieben Gottfried Greifenhagen (Buch) und Jörg Daniel Heinzmann (Musikalische Einrichtung und Arrangements) „Die Comedian Harmonists Teil 2 – Jetzt oder nie“, ein Schauspiel mit Musik, das aus der Erinnerung von Harry Frommermann die Zeit von 1935 bis zu seinem Tod im Jahr 1975 mit den Nachfolgegruppen der „Comedian Harmonist“, dem „Meistersextett“ und den „Comedy Harmonists“, Revue passieren lässt.

oben: Klaus Brantzen; unten: v. l. n. r.: Andres Reukauf, Richard van Gemert, Christoph Scheeben, Olaf Haye, Jan Andreas Kemna und Björn Christian Kuhn
Foto Klaus Lefebvre/theaterhagen

 Wohl noch vor der Emigration von Harry Frommermann, Roman Cycowski und Erich A. Collin nach Wien wurde im Berliner Lokal-Anzeiger mit der Annonce „Weltberühmtes deutsches Gesangsensemble sucht zwei Tenöre und einen Bariton, nicht über 30 Jahre.“ nach neuen Mitstreitern gesucht, die schließlich in Richard Songleiter als zweitem Tenor, Janosch Kerekes als Tenor-Buffo und Walther Blanke als Bariton gefunden wurden. Die neuen Ensemblemitglieder wurden von Robert Biberti, Erwin Bootz und Ari Leschnikoff jedoch nicht als gleichberechtigte Teilhaber, sondern lediglich als Angestellte unter Vertrag genommen. Die Reichsmusikkammer gestattete den Sängern vorläufig, sich „Meistersextett, früher Comedian Harmonists“ zu nennen, die früheren Erfolge der „Comedian Harmonists“ stellten sich jedoch nicht im gewohnten Umfang ein: Das eingeschränkte Repertoire der Gruppe richtete sich nach den ideologischen Vorgaben des NS-Regimes, die Verwendung des Zusatzes „früher Comedian Harmonists“ wurde im April 1937 endgültig untersagt. Obendrein durften die bisherigen Schallplattenaufnahmen der „Comedian Harmonists“ ab 17. Dezember 1937 nicht mehr vertrieben werden, was dem „Meistersextett“ immerhin die Möglichkeit bot, alte, im Hinblick auf die NS-Kulturpolitik unverdächtige Titel aus dem Repertoire der „Comedian Harmonists“ neu aufzunehmen. Mit dem Weggang des Pianisten und musikalischen Leiters der Gruppe, Erwin Bootz zum Berliner „Kabarett der Komiker“ Ende 1938 wurde der Niedergang des „Meistersextetts“ eingeleitet. Zwischen den einzig verbliebenen Original-Harmonisten Robert Biberti und Ari Leschnikoff entbrannte ein Machtkampf, in den auch die Angestellten involviert wurden. Am 9. September 1939 kündigte Robert Biberti allen Ensemblemitgliedern und begann einen Rechtsstreit mit Ari Leschnikoff, womit an eine weitere Zusammenarbeit nicht mehr zu denken war.

v. l. n. r.: Björn Christian Kuhn, Jan Andreas Kemna, Christoph Scheeben, Richard van Gemert und Olaf Haye
Foto Klaus Lefebvre/theaterhagen

 Eine Wiener Konzertagentur nahm die „Comedian Harmonists“ 1935 zum Schein unter Vertrag, was Harry Frommermann, Roman Cycowski und Erich A. Collin eine unkomplizierte Ausreise ermöglichte. In Wien machte man sich erfolgreich auf die Suche nach neuen Mitstreitern, und durch die Belebung alter Kontakte konnten der Pianist Ernst Engel und erste Tenor Hans Rexeis sowie Rudolf Mayreder als Bass verpflichtet werden, wobei die neuen Mitglieder des Sextetts den drei Gesellschaftern finanziell gleichgestellt wurden. Auch musikalisch unterschied sich der Neuaufbau der Wiener Gruppe vom „Meistersextett“: In neuen Bearbeitungen der Lieder wurde dem jeweiligen Können der Sänger Rechnung getragen, so dass sich diese nicht – wie beim „Meistersextett“ – in einen bereits vorgegebenen Part einfügen mussten. Nachdem sich die Emigranten im April 1935 nicht bei der deutschen Botschaft in Wien eingefunden hatten, wurde ihnen die deutsche Staatsangehörigkeit aberkannt und ihren Frauen angeboten, nach Deutschland zurückzukehren, wenn sie sich von ihren jüdischen Männern scheiden lassen, was sie jedoch nicht taten. Durch Freunde bekamen Harry Frommermann, Roman Cycowski und Erich A. Collin so genannte österreichische Protektionspässe, mit denen sie ins Ausland reisen konnten. Bereits im Sommer 1935 nahm die englische Gramophone Company das Ensemble unter dem englisch korrekten Namen „Comedy Harmonists“ unter Vertrag, und auch mit abendfüllenden Bühnenauftritten ab Dezember 1935 konnte das Sextett beinahe nahtlos – auch in Bezug auf Musikalität und Popularität – an die Erfolge der „Comedian Harmonists“ anknüpfen. 1936 und 1937 gab die Gruppe in vierzehn verschiedenen Ländern Konzerte, darunter Frankreich, Österreich, die Benelux-Staaten und die skandinavischen Länder sowie die Sowjetunion. Im Frühjahr 1937 stieß Fritz Kramer als Ersatz für Ernst Engel neu zu der Gruppe, die am 22. Juli 1937 ihr erstes Konzert in Perth, Australien, gab. Es folgten 64 weitere Konzerte in Australien, die beim Publikum und in den Medien ein überwältigendes Echo fanden. Doch mit dem Anschluss Österreichs standen die „Comedy Harmonists“ erneut vor einer ungewissen Zukunft, da ihre Bankkonten gesperrt wurden und die Protektionspässe nur noch begrenzt gültig waren. Am 10. März 1940 brach die Gruppe mit der Bahn zu einer zweimonatigen Tournee durch die Vereinigten Staaten auf, es sollte die letzte Tournee werden, am 1. Mai 1940 gaben die „Comedy Harmonists“ in Richmond, Indiana, ihr letztes Konzert. Auslöser für die Trennung der Gruppe war ein Streit zwischen Erich A. Collin und Rudolf Mayreder, in dessen Verlauf dieser seine Mitgliedschaft zum 1. April 1940 kündigte. Bereits kurz zuvor hatte Roman Cycowski angekündigt, die Gruppe zu verlassen, um nach dem Tod seines Vaters Kantor zu werden.

 Harry Frommermann blieb nach dem Zerfall der „Comedy Harmonist“ zunächst in den USA, erhielt die amerikanische Staatsbürgerschaft, trat in die US-Army ein und änderte seinen Namen in Frohman. Bei den Nürnberger Prozessen arbeitete er als Übersetzer, später als Radio-Control-Officer beim RIAS (Rundfunk im amerikanischen Sektor) Berlin. Bereits während seiner Zeit als amerikanischer Soldat hatte Frommermann die Deutsche Erika von Späth kennengelernt, mit der er über Jahre Briefkontakt gehalten hat und mit der er ab 1962 bis zu seinem Tod am 29. Oktober 1975 in Bremen zusammenlebte.

v. l. n. r.: Andres Reukauf, Richard van Gemert, Björn Christian Kuhn, Christoph Scheeben, Olaf Haye und Jan Andreas Kemna
Foto Klaus Lefebvre/theaterhagen

 Episodenhaft sind in „Die Comedian Harmonists Teil 2 – Jetzt oder nie“ in der Inszenierung von Thomas Weber-Schallauer die Stationen der „Comedy Harmonists“ und des „Meistersextetts“ zu verfolgen, angefangen von der erzwungenen Emigration von Harry Frommermann, Roman Cycowski und Erich A. Collin, die bei ihrem Abschied am 10. März 1935 Robert Biberti dafür bloßstellen, dass er ihnen bereits vor ihrer Abreise mit seiner Annonce am 3. März 1935 im Berliner Lokal-Anzeiger in den Rücken gefallen sei, über diverse Konzerttourneen bis zu dem von Roman Cycowski als Kantor vorgetragenen jüdischen Glaubensbekenntnis Schma Jisrael und einem unerwarteten Aufeinandertreffen von Robert Biberti und Harry Frohman im Mai 1947 beim RIAS Berlin, nachdem sich beide Sänger nach der Trennung der „Comedian Harmonists“ nicht mehr gesehen hatten. Thomas Weber-Schallauer behält in seiner Inszenierung stets den historischen Kontext im Blick, die Einordnung der Episoden in den zeitlichen Zusammenhang geschieht durch die Rahmenhandlung, in der Harry Frommermann die Zeit von 1935 bis 1975 Revue passieren lässt, wobei die Gesangsnummern der „Comedy Harmonists“ und des „Meistersextetts“ natürlich den Mittelpunkt des Bühnengeschehens bilden. Gespielt wird vor und auf der Kulisse von aufgetürmten Koffern (Ausstattung: Peer Palmowski), die man ohne weiteres als das Leben der drei jüdischen Mitglieder der „Comedian Harmonists“ aus dem Koffer interpretieren kann. Eine Hakenkreuzflagge als Hintergrund symbolisiert zu Beginn des zweiten Teils die Einschränkung des „Meistersextetts“ durch die NS-Kulturpolitik.

Klaus Brantzen verkörpert in dem Schauspiel mit Musik großartig die Rolle des alten Harry Frommermann, der in Erinnerungen an sein Sextett schwelgt und sich die letzten Jahre seines Lebens in Bremen mit dem Plan von einem „vocal orchestra“ beschäftigt, in dem er allein die Instrumente eines Orchesters nachahmt und nacheinander aufnimmt. Das größte Kompliment haben zweifellos die Darsteller der „Comedian Harmonists“ verdient. Björn Christian Kuhn als 1. Tenor Ari Leschnikoff u. a., Olaf Haye als 2. Tenor Erich A. Collin u. a., Jan Andreas Kemna als 3. Tenor Harry Frommermann u. a., Richard van Gemert als Bariton Roman Cykowski u. a., Christoph Scheeben als Bass Robert Biberti u. a. und Andres Reukauf als Pianist Erwin Bootz u. a. lassen die „Comedian Harmonists“, die „Comedy Harmonists“ und das „Meistersextett“ auf der Bühne wiederauferstehen. Die schauspielerischen und vor allem gesanglichen Leistungen der fünf Sänger überzeugen auf der ganzen Linie. Der Musikalische Leiter Andres Reukauf, der auch die Musikalische Einstudierung übernommen hat, spielt nicht nur virtuos Klavier, sondern fügt sich auch schauspielerisch vollwertig in das Sextett ein.

v. l. n. r.: Jan Andreas Kemna, Olaf Haye, Christoph Scheeben, Björn Christian Kuhn, Andres Reukauf und Richard van Gemert
Foto Klaus Lefebvre/theaterhagen

 Das Premierenpublikum spendete nach zweidreiviertel Stunden begeistert lang anhaltenden Stehapplaus, und bei den geplanten Zugaben „Das ist die Liebe der Matrosen“, „Barcarole“ und „Ali Baba“ gerät letztere zu einem weiteren Highlight des Abends. Insgesamt 8 Mal steht „Die Comedian Harmonists Teil 2 – Jetzt oder nie“ in der aktuellen Spielzeit bis 28. Juni 2015 auf dem Spielplan des theaterhagen und wird in der Spielzeit 2015/16 am 9. September 2015 wieder­auf­genommen. Mit der Fortsetzung der Geschichte mit – mit Ausnahme von Olaf Haye – identischer Besetzung dürfte dem theaterhagen ein ähnlicher Erfolg beschieden sein wie bereits mit „Die Comedian Harmonists“ (Premiere 4. Februar 2012, Regie Thomas Weber-Schallauer) mit zwei Wiederaufnahmen.

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