„Grease – Das Musical“

„Grease – Das Musical“ – Musik, Liedtexte und Buch: Jim Jacobs und Warren Casey; Zusätzliche Songs von Barry Gibb, John Farrar, Louis St. Louis und Scott Simon; Regie: David Gilmore; Choreografie: Melissa Williams; Bühnenbild: Terry Parsons (?); Kostüme: Herbert Ehrhardt (?); Licht: Nick Richings (?); Musical Supervision: Olly Ashmore. Darsteller: Dániel Rákász (Danny Zuko), Eva Serrarens (Sandy Dumbrowski), Stefan Rüh (Kenickie, Cover Danny Zuko), Christopher Busse (Doody), Stuart Sumner (Sonny, Cover Danny Zuko, Cover Kenickie), Mathias Laval (Roger), Selvi Martina Rothe (Betty Rizzo), Kym Boyson (Frenchy), Lisa-Marie Selke (Marty, Cover Sandy Dumbrowski), Anouk Roolker (Jan Strakowski), Stefanie Stiller (Miss Lynch), Fabian Kaiser (Eugene Florczyk, Cover Doody, Cover Vince Fontaine/Teen Angel), Christin Rettig (Patty Simcox Honeywell, Cover Sandy Dumbrowski), Stefan Reil (Vince Fontaine/Teen Angel), Judith Peres (Charlene „Cha-Cha“ Di Gregorio), Melanie Böhm, Natalie Crowther (Swing), Andreas Gräbe, Lucy Harrison (Cover Charlene „Cha-Cha“ Di Gregorio), Robin Koger (Swing), Stefan Preuth, David Schuler, Alina Wellbrock, Daniel Wernecke. Uraufführung: 5. Februar 1971, Kingston Mines Theater, Chicago. Off-Broadway Premiere: 14. Februar 1972, Eden Theatre, New York City. Deutsche Erstaufführung: 25. Februar 1993, Musiktheater Reeperbahn 1, Hamburg. Premiere: 18. November 2010, Capitol Theater Düsseldorf/31. Januar 2014, OLMA Messe Halle 9.1, St. Gallen, Schweiz. Besuchte Vorstellung: 5. März 2014, Colosseum Theater, Essen. Abweichende Besetzung: Stefan Rüh (Danny Zuko), Stuart Sumner (Kenickie), Andreas Gräbe (Sonny), Lucy Harrison (Charlene „Cha-Cha“ Di Gregorio).



„Grease – Das Musical“


Das Rock´n´Roll-Musical wieder auf Tournee durch den deutschsprachigen Raum


Mit 3.388 Vorstellungen hat es „Grease“ nicht dauerhaft unter die Top 10 der am längsten gespielten Broadway Shows geschafft („The Phantom of the Opera“ von Andrew Lloyd Webber kann am Broadway inzwischen über 10.700 Vorstellungen vorweisen), international erlangte das Werk auch erst durch die immens erfolgreiche Verfilmung mit John Travolta (Danny Zuko) und Olivia Newton-John (Sandy Dumbrowski) aus dem Jahr 1978 Bekanntheit. Für den Film wurden neue Songs geschrieben, „Hopelessly devoted to you“, „You´re the one that I want“ oder die Ballade „Sandy“ avancierten zu populären Hits und wurden in späteren Revivals des Musicals integriert. Seitdem ist das Kult-Musical einfach nicht totzukriegen, bereits seit 2001 tourt der Tourneeveranstalter Semmel Concerts mit „Grease – Das Musical“ mit Unterbrechungen durch den deutschsprachigen Raum, wobei die Songs im Original und die Dialoge auf Deutsch präsentiert werden. „Eine von David Gilmore für den deutschsprachigen Raum neu überarbeitete Fassung“ von „Grease – Das Musical“ tourt seit 31. Januar 2014 erneut durch den deutschsprachigen Raum und ist augenblicklich noch bis zum 16. März 2014 im Colosseum Theater in Essen zu sehen. Danach stehen bis zum 8. Juni 2014 weitere 20 Städte in Deutschland und Bern auf dem Tourneeplan, u. a. das Musical Theater Bremen, Capitol Theater Düsseldorf und Deutsches Theater München.

„Grease“ ist eine Parodie auf die wilde Zeit von High School-Gangs, Pyjama-Partys, Petticoats, Cadillacs und Pomade: Das Rock´n´Roll-Musical thematisiert Lust und Frust der amerikanischen High School-Generation der 1950er Jahre, als die schüchterne Sandy Dumbrowski an der Rydell High School ihren Ferien-Flirt Danny Zuko wiedertrifft, der plötzlich den ultracoolen Macho gibt, um den Erwartungen der Schüler-Gang „T-Birds“ zu entsprechen, deren Anführer Danny ist. Sandy, die sich als biederes, anständiges Mädchen entpuppt, schließt sich der Mädchen-Clique „Pink Ladies“ an, die sich mit ausgelassenen Partys und Plänkeleien mit den Jungen die Zeit vertreiben. Nach etlichen Irrungen und Wirrungen lässt Sandy schließlich ihre prüde Wesensart fallen und überrascht ihren Angebeteten im schwarzen Leder-Outfit als Traumfrau eines jeden Greasers…

David Gilmore, der bereits das „Grease“-Revival am Dominion Theatre in London (Premiere 15. Juli 1993) inszeniert hat, zeichnet als Regisseur auch für die aktuelle Tournee durch den deutschsprachigen Raum verantwortlich, die deutlich auf Tempo setzt und in der die Dialoge mitunter lediglich als Stichwort für den nächsten Song dienen. Dabei wurde die Aufführungsdauer auf zwei Stunden 15 Minuten „eingedampft“, einschließlich 20 Minuten Pause. Da bleibt natürlich das ein oder andere Detail auf der Strecke. David Gilmore legt jedoch ganz offensichtlich großen Wert darauf, mit besonders eindeutigen Bewegungen den sexuellen Trieb der Männer herauszustellen. Dies gipfelt in dem derben Witz, Danny mit einem vermeintlich erigierter Penis in der Sporthose auf die Bühne laufen zu lassen, auch wenn sich selbiger dann als Zigarettenschachtel herausstellt. Da mag die Duschszene der Jungen in der Inszenierung von Werner Sobotka (Premiere 8. April 2006, Theater St. Gallen) noch so klischeehaft gewesen sein, darüber konnte man wenigsten unbeschwert lachen, und schön anzusehen war sie obendrein. Bei einem Rock´n´Roll-Musical erwarte ich – spätestens beim Tanzwettbewerb in „Born to Hand Jive“ – Rock´n´Roll-Choreografien mit Akrobatik, was aber in der insgesamt temporeichen Choreografie von Melissa Williams nur ansatzweise erkennbar ist.

Die sechsköpfige Band (zwei Keyboards, Gitarre, Bass, Drums, zwei Bläser) bringt die Songs von einer auf halber Höhe angeordneten Ebene im hinteren Drittel der Bühne, die den größten Teil der Vorstellung hinter Vorhängen verborgen ist, leidenschaftlich rockig zu Gehör. Auch die Abstimmung mit den Gesangsstimmen passt, die englischen Lyrics sind gut zu verstehen, was bei Tourneeproduktionen leider auch nicht immer selbstverständlich ist. Das Bühnenbild kann selbst für eine Tourneeproduktion als sparsam bezeichnet werden, dafür ist es funktional und gestattet schnelle Szenenwechsel auf offener, abgedunkelter Bühne. Schauplätze wie der Sportplatz oder der Burger Palace sind lediglich angedeutet, der obligatorische „Cadillac“ darf bei „Greased Lightnin´“ und im Autokino natürlich nicht fehlen. Beim Schulball unter dem Motto „Mondschein unter Tropen“ mag jeder für sich entscheiden, ob das Setting tatsächlich so kitschig ausfallen musste. Das Lichtdesign unterstützt die bunte Show größtenteils adäquat, ob den Besuchern allerdings durch temporär ins Publikum gerichtete Moving-Lights ein Eindruck von der Blendwirkung selbiger verschafft werden soll, wollte sich mir auch diesmal nicht erschließen.

Stefan Rüh (Marco/Carabiniere in „Maria, ihm schmeckt´s nicht“), der in der besuchten Vorstellung für Dániel Rákász die Rolle des Anführers der „T-Birds“, Danny Zuko gespielt hat, und Eva Serrarens (Sophie in „Mamma Mia!“, Palladium Theater, Stuttgart) in der Rolle der anfänglichen Ingenue Sandy Dumbrowski sind als frisch verliebtes Paar zu sehen, dessen Zuneigung durch die jeweiligen Cliquen unablässig auf die Probe gestellt wird. Glaubhaft spielt Stefan Rüh Dannys Rollenkonflikt zwischen verliebtem Teenager und coolem Greaser, und auch gesanglich kann er mit seiner herzzerreißenden Ballade „Sandy“ überzeugen. Eva Serrarens singt großartig, was nicht erst in ihrer berührenden Ballade „Hopelessly devoted to you“ im zweiten Akt auffällt. Nachvollziehbar verkraftet sie als unschuldiges, naives Mädchen so manche Enttäuschung, bis ihr schließlich selbst klar wird, wie sie ihren Ferienflirt zurückgewinnen kann. Stuart Sumner kann als Dannys rechte Hand Kenickie mit einem beeindruckenden Auftritt in „Greased Lightnin´“ nachhaltig auf sich aufmerksam machen. Das macht wirklich Freude, so stimmig wie in dieser Szene könnte die Show tatsächlich funktionieren. Da hat es Christopher Busse als Doody mit seinem rudimentären Gitarrenspiel zu Beginn von „Those Magic Changes“ natürlich schwerer, die Sympathien des Publikums zu gewinnen, was ihm dennoch mühelos gelingt. Bei den „Pink Ladies“ gefallen Selvi Martina Rothe in der Rolle der supercoolen, erfahrenen Anführerin der Mädchen-Clique Betty Rizzo mit „Look at Me, I´m Sandra Dee“ und „There Are Worse Things I Could Do“, Lisa-Marie Selke als Marty mit „Freddy, My Love“ und Anouk Roolker (Enid Hoopes in „Natürlich Blond – Das Musical“) als Jan Strakowski mit „Mooning“ (im Duett mit Mathias Laval als Roger) und „It´s Raining on Prom Night“ (im Duett mit Eva Serrarens). Lucy Harrison war an diesem Abend als Charlene „Cha-Cha“ Di Gregorio zu sehen, ein Mädchen mit atemberaubenden Aussehen und ebensolchen Tanzkünsten, das im an den Tanzwettbewerb anschließenden Dialog dazu verdonnert ist, lediglich zu kreischen. Auch Stefan Reil (Rocky Horror in Richard O´Brien´s „The Rocky Horror Show“) weiß als Vince Fontaine mit seinem Cameo-Auftritt als Teen Angel in „Beauty School Dropout“ für sich einzunehmen, wenngleich ich auch in dieser Szene wehmütig an die bereits erwähnte Inszenierung in St. Gallen zurückdenke, in der Rob Fowler mit Engelsflügeln aus dem Schnürboden zu Jana Stelley auf die Bühne herabschwebte.

Die Gründe, warum der Funke im Publikum nicht so recht überspringen will und es bis zum letzten Song dauert, bis die ersten Zuschauer zaghaft mitklatschen, mögen vielfältiger Natur sein, an den spielfreudigen Darstellern liegt es jedenfalls nicht. Aber eines dürfte sonnenklar sein: Wenn die Besucher nicht nur vereinzelt im Look der Fifties ins Theater kommen und vor der Vorstellung reihenweise „Beweisfotos“ gemacht werden, so dürfte es sicher nicht deren fester Vorsatz gewesen sein, stocksteif in den Theatersesseln zu hocken. Die Ursachen dafür sollte man wohl eher an anderer Stelle suchen, denn es handelt sich – der Berichterstattung über die Aufführungen in Mannheim als erste Station der diesjährigen Tournee in Deutschland folgend – um ein grundsätzliches Phänomen. Als bunte Show ist „Grease – Das Musical“ durchaus unterhaltsam, aber womöglich erwartet das Publikum zumindest teilweise eben mehr als nur eine bunte Show.

Haben Sie selbst die diesjährige Tourneeproduktion „Grease – Das Musical“ schon gesehen? Wie hat Ihnen die Vorstellung gefallen?

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