Theater Oberhausen: „Gottes kleiner Krieger“

„Gottes kleiner Krieger“ – nach dem Roman „God´s Little Soldier“ („Gottes kleiner Krieger“) von Kiran Nagarkar. Regie & Dramaturgie: Jarg Pataki, Viola Hasselberg; Choreografie: Aakash Odedra, Subhash Viman Gorania; Bühne: Simeon Meier; Kostüme: Sabina Moncys; Licht: Markus Bönzli; Videodesign: Katarina Eckold; Komposition, Musikalische Leitung: Ravi Srinivasan, Thomas Seher. Darsteller: Ben Daniel Jöhnk (Zia Khan), Subhash Viman Gorania (Zia als Tänzer), André Benndorff (Amanat Khan, Zias Bruder), Hendrik Heutmann (Roy Cambray/Irfan/Bruder Jonathan/Hijra/Dilip Kumar/Strassenfeger), Holger Kunkel (James Cambrey/Augustine/Dr. Patwardhan/Nandini Devi/Mullah), Martin Weigel (Zafar Khan, Zias Vater/Muni/Yunus/Prof. Laughton), Marie Bonnet (Ammijan, Zias Mutter/Sagari), Melanie Lüninghöner (Antonia Booth-Langsthon, Zias Patentante/Dawn Gold), Johanna Eiworth (Zubeida-Khala, Zias Tante/Vivian Booth-Langsthon/Deidre Cambray), Laurence Fischer (Zia als Kind), Jan Becker (Amanat als Kind), Sinat Abdul (Sagari als Kind), Lini Gong (Sängerin). Musiker: Sebastian Flaig, Henrike Ross, Thomas Seher, Ravi Srinivasan, Ralf Tonding, Gilbert Trefzger. Uraufführung: 18. Mai 2013, Theater Freiburg. Premiere: 19. Februar 2014, Theater Oberhausen.



„Gottes kleiner Krieger“


Bollywood-Musical nach dem Roman von Kiran Nagarkar


Kiran Nagarkar (* 1942 in Bombay), einer der wichtigsten zeitgenössischen Autoren Indiens, hat eine Geschichte über Extremismus und religiösen Fanatismus geschrieben, die von zwei ungleichen Brüdern erzählt und zu den meist besprochenen Büchern der Frankfurter Buchmesse 2006 gehörte.

Aakash Odedra (Zia als Tänzer), © Maurice Korbel, korbel.pictures@web.de

Zia Khan, Sohn einer liberalen muslimischen Familie aus Bombay und schon als Kind ein mathematisches Genie, hält sich für auserwählt, die islamische Welt zu vereinigen. Er entwickelt sich zu einem hochmodernen extremistischen Charakter, der mit seinen Aktienspekulationen radikale religiöse Organisationen finanziert. Sein Weg führt über die Kontinente von Indien nach Cambridge, Kalifornien, Kaschmir und Afghanistan, wobei er im Laufe der Handlung zweimal seine Religionszugehörigkeit wechselt. Nach dem Versuch, den Schriftsteller Salman Rushdie zu töten, wird Zia zum Mudschaheddin und tötet bei einer Operation in Kaschmir zahlreiche Zivilisten. Später konvertiert er zum christlich-fundamentalistischen Abtreibungsgegner und begibt sich als Trappistenmönch Lucens ins Kloster. Als er sein Gespür für riskante Aktienspekulationen verliert, wendet er sich einem hinduistischen Guru zu, der ihn in Waffengeschäfte verwickelt. Zia will stets nur Gutes tun, doch sein Extremismus kennt nahezu keine Grenzen und führt regelmäßig zur Katastrophe. „Den einzelnen Religionen entsprechen in Kiran Nagakars Roman „Gottes kleiner Krieger“ spezifische Wirtschaftweisen: dem Islam ein blutrünstiges, marodierendes, die eigene ökonomische Basis ruinierendes semi-feudales Bandenwesen; dem Christentum ein prosperierender menschenverachtender Kapitalismus; dem Hinduismus, dessen Ziel – die Selbstüberwindung – eben auch alle Skrupel zu überwinden hilft, der rücksichtslose Schattenmarkt des weltweiten Waffenhandels im großen Stil.“ (aus „Gottes kleiner Krieger“ – Der Autor und sein Roman, Originalbeitrag Dramaturgie im Programmheft zum Stück, Theater Freiburg Spielzeit 2012/13) Sein Bruder Amanat, ein selbstzerstörerischer Zweifler, der sich als erfolgloser Drehbuchautor im Bollywood-Filmgeschäft durchschlägt, hat stets Verständnis für die Fehlerhaftigkeit und Unbeständigkeit des Menschen.

Aakash Odedra (Zia als Tänzer) und Ben Daniel Jöhnk (Zia Khan), © Maurice Korbel, korbel.pictures@web.de

Jörg Pataki und Viola Hasselberg (Regie und Dramaturgie) haben sich vom dramaturgischen Konzept des berühmten indischen Kinoformats des Bollywood-Films inspirieren lassen und Kiran Nagakars Roman in epischer Breite und mehrfach von Tanzszenen unterbrochen auf die Bühne gebracht. Dabei ist eine aufwendige, personenreiche Produktion mit indischer Live-Musik, Tanz und Schauspiel entstanden, die vom Terrorismus als gemeinsamem Problem einer Welt erzählt, in der das Religiöse eine unheilvolle Zuspitzung durchläuft. Dementsprechend stellt die Inszenierung natürlich kein Musical im klassischen Sinn dar, man sollte sich also nicht von der Bezeichnung „Bollywood-Musical“ irritieren lassen, gemeint ist tatsächlich eine Kombination von Schauspiel, Musik und Tanz, wie man sie auch aus Bollywood-Filmen kennt. „Epische Breite“ darf man jedoch durchaus wörtlich nehmen, die auf dem 707-seitigen Roman basierende Aufführung dauert 3 Stunden 45 Minuten. Uraufgeführt wurde die Inszenierung als Koproduktion mit dem Theater Oberhausen und dem Goethe-Institut am 18. Mai 2013 am Großen Haus des Theaters Freiburg, am 31. Januar 2014 war das Stück im Rahmen des Theaterfestivals „Um alles in der Welt – Lessingtage“ auch am Thalia Theater in Hamburg zu sehen. Jetzt ist das Stück für insgesamt sechs Vorstellungen bis zum 16. März 2014 am Theater Oberhausen zu sehen.

Ben Daniel Jöhnk (Zia Khan) und der Bewegungschor, © Maurice Korbel, korbel.pictures@web.de

Bunt leuchtend und schillernd exotisch treten der Bewegungs­chor mit 15 ambitionierten LaientänzerInnen und die sechs Musiker unterschiedlichster Stilrichtungen in Erscheinung. Die Darsteller singen auf der Bühne nicht selbst, sondern die Sopranistin Lini Gong (* 1981 in Zhuzhou, Hunan, China) und Ravi Srinivasan (* 1965 in Singapur), der zusammen mit Thomas Seher auch für die Komposition verantwortlich zeichnet, übernehmen – analog zum Bollywood-Film – sämtliche Gesangsparts. Aakash Odedra und Subhash Viman Gorania haben mit den LaientänzerInnen die teilweise an Bollywood-Filme erinnernden Choreografien einstudiert. Subhash Viman Gorania hat in Oberhausen die Solotanzpartien übernommen, in denen er Zia Khans Rolle als sein Alter Ego tänzerisch interpretiert. Große Teile der Handlung werden von Ben Daniel Jöhnk (Zia Khan) und André Benndorff (Amanat Khan, Zias Bruder) als Monologe präsentiert, die übrigen Darsteller treten in verschiedenen Rollen in Erscheinung, denn die Inszenierung kann mit einer ganzen Reihe von Nebenfiguren aufwarten.

Kommentare