„Flashdance de Musical“

„Flashdance“ – nach dem gleichnamigen Paramount Pictures Film von Adrian Lyne mit Jennifer Beals und Michael Nouri; Musik: u. a. Giorgio Moroder, Michael Sembello, Dennis Matkosky, Robbie Roth; Liedtexte: u. a. Keith Forsey, Irene Cara, Robert Cary, Robbie Roth; Buch: Tom Hedley & Robert Cary; Übersetzung: Allard Blom; Regie: Martin Michel; Choreografie: Roy Julen, Martin Michel; Bühne: Eric van der Palen; Kostüme: Arno Bremers; Licht: Marc Heinz; Ton: Michael Story; Musical Supervision, Arrangements: Ad van Dijk; Musikalische Leitung, Arrangements: Marco Braam. Darsteller: Anouk Maas (Alexandra „Alex“ Owens), Jim Bakkum (Nick Hurley), Carry Tefsen (Hannah Long), Rowen Aïda Ben Rabaa (Tess, understudy Alexandra „Alex“ Owens), Jantien Euwe (Gloria), Rubiën Florens Vyent (Kiki), Joey Schalker (Jimmy Kaminsky, Alternate Nick), Gery Mendes (CC), Simon Zwiers (Harry/Joe), Frédérique Sluyterman van Loo (Ms. Wilde/Louise, Alternate Hannah Long), Melise de Winter (Alternate Ms. Wilde/Louise), Merel Schaftenaar (Dancecaptain), Martijn van Voskuijlen (Andy, understudy Jimmy, understudy Joe/Harry), Javan Hoen (Ensemble, Understudy Andy), James Jackson Harwood (Ensemble), Jente Slebioda (Ensemble, understudy Gloria), Giorgio Costa (Ensemble), Remy Vetter (Ensemble), Sarah Mancini (Ensembe), Fenna Ramos (Ensemble, understudy Kiki), Maikel Nieuwenhuis (Ensemble), Joren Lefebvre (Ensemble), Ingeborg Westerink (Ensemble). Uraufführung: 19. Juli 2008, Theatre Royal, Plymouth, United Kingdom. Premiere: 29. September 2013, Theaters Tilburg, Tilburg, Niederlande. Besuchte Vorstellung: 8. Januar 2014, Wilminktheater, Enschede, Niederlande. Abweichende Besetzung: Rowen Aïda Ben Rabaa (Alexandra „Alex“ Owens), Frédérique Sluyterman van Loo (Hannah Long), Merel Schaftenaar (Tess), Melise de Winter (Ms. Wilde/Louise).



„Flashdance de Musical“


Das Tanzmusical auf Tournee durch die Niederlande


Der überraschende Erfolg des Blockbusters „Saturday Night Fever“, der mit einem Produktionsbudget von 3,5 Millionen US-$ mehr als 282 Millionen US-$ an den Kinokassen einspielte, sowie die später veröffentlichten Tanzfilme „Flashdance“ (1983), „Footloose“ (1984) und „Dirty Dancing“ (1987) bescherten dem Genre in den 1980er Jahren eine regelrechte Renaissance. Trotz schlechter Kritiken spielte „Flashdance“ weltweit in den Kinos mehr als 200 Millionen US-$ ein. Der Titelsong „Flashdance… What a Feeling“ von Giorgio Moroder (Musik), Keith Forsey und Irene Cara (Lyrics) heimste den Academy Award und den Golden Globe Award als Bester Song ein.

„Mijn Tijd“: Maikel Nieuwenhuis, Anouk Maas (Alexandra „Alex“ Owens) und James Jackson Harwood; Foto Roy Beusker

Die Handlung des Paramount Pictures Spielfilms „Flashdance“ von Adrian Lyne mit Jennifer Beals (Alexandra „Alex“ Owens) und Michael Nouri (Nick Hurley), auf dem das Musical basiert, dürfte hinlänglich bekannt sein, Tom Headley, der zusammen mit Joe Eszterhas bereits das Drehbuch für den Film geschrieben hat, zeichnet gemeinsam mit Robert Cary auch als Autor für die Bühnenversion verantwortlich. Im Mittelpunkt der Handlung steht die 18-jährige Alexandra „Alex“ Owens, die als Schweißerin in einem Stahlwerk in Pittsburgh, Pennsylvania („The Steel City“) arbeitet und von einer Karriere als professionelle Tänzerin träumt. Nebenbei arbeitet sie in Harrys Nachtclub und ist dort in extravaganten Choreografien zu sehen. Dort arbeiten auch Kiki, Tess, Gloria und deren Freund Jimmy, der auf seinen Durchbruch als Comedian hofft. Zwischen Nick Hurley, dem Enkel des Stahlwerk-Besitzers, und Alex entwickelt sich eine Liebesbeziehung, nachdem er sie im Club tanzen gesehen hat. Er arrangiert für sie ein Vortanzen in der angesehenen Shipley Dance Academy, doch Alex möchte sich alles selbst erarbeiten und entzweit sich im Streit mit Nick. Unterstützung bekommt sie auch von Ballettlehrerin Hannah, die früher selbst als Ballerina getanzt hat. Als Hannah unerwartet stirbt, bringt Alex schließlich den Mut auf, zur Aufnahmeprüfung zu gehen, und besteht diese mit Bravour. Auch der Versöhnung mit Nick steht nun nichts mehr im Wege…

Jim Bakkum (Nick Hurley) und Anouk Maas (Alexandra „Alex“ Owens); Foto Roy Beusker

Die Bühnenversion kommt auch nicht tiefgründiger daher als die Filmvorlage, doch der Kultstatus des Films dürfte sich wohl kaum auf das Format des Buches gründen. Martin Michel, der die Tourneeversion von „Flashdance“ für Albert Verlinde Entertainment auch inszeniert hat, hat zusammen mit Roy Julen, Choreograf bei „So You Think You Can Dance“ auf RTL 5 in den Niederlanden, die vielfältige Choreografie erarbeitet, die Elemente aus zeitgenössischem und klassischem Tanz, Jazz- und Modern Dance und Hip-Hop verbindet und einen maßgeblichen Bestandteil der Inszenierung darstellt. Auch Alexandras Tanzperformance in Harrys Nachtclub (in der Filmvorlage Mawby´s Bar), in der ein Wasserschwall auf sie herabstürzt, gibt es auf der Bühne zu sehen, allerdings nicht zu Beginn der Aufführung, sondern zum Ende des ersten Aktes. Insgesamt greift die Inszenierung viele Details aus dem Spielfilm auf, ohne dabei in „Flashdance – Das Original live on Stage“ abzudriften. Andererseits hätte ich bei den aus der Filmvorlage bekannten Choreografien auch auf der Bühne ein wenig mehr akrobatische Elemente erwartet. Dass so etwas möglich und auch von den Darstellern auf der Bühne umsetzbar ist, hat beispielsweise Choreografin Kim Duddy bereits bei „Fame“ (Premiere: 26. Juli 2000, Musical Sommer Amstetten), „Hair“ (Premiere: 10. März 2001, Raimund Theater Wien) und „Footloose“ (Premiere: 21. Juli 2004, Musical Sommer Amstetten) bewiesen. In den klassischen Tanzszenen in der Shipley Dance Academy lassen dagegen insbesondere die Herren ein wenig das Grazile vermissen, da wirken die Street Dance Sequenzen sehr viel überzeugender. Die Bühnenversion ist komplett jugendfrei, in CCs Club Chameleon wird den Gästen statt Striptease Poledance (ohne Entkleidung) geboten, Voyeure dürften also nicht auf ihre Kosten kommen. Das Bühnenbild von Eric van der Palen ist mit diversen fahrbaren, rostig anmutenden Profilstahlgestellen und Versatzstücken tourneetauglich, Arno Bremers setzt mit seinen phantasievollen Kostümen interessante farbige Akzente, wobei natürlich der obligatorische Oversize Pullover und die Stulpen aus dem Spielfilm nicht fehlen.

Anouk Maas (Alexandra „Alex“ Owens) und Jim Bakkum (Nick Hurley); Foto Roy Beusker

Zu den Hitsongs aus dem Film „Flashdance… What a Feeling“ (M: Giorgio Moroder, L: Keith Forsey, Irene Cara), „Maniac“ (M & L: Michael Sembello, Dennis Matkovsky), „Gloria“ (M & L: Giancarlo Bigazzi, Umberto Tozzi, Trevor Veitch), „Manhunt“ (M & L: Doug Cotler, Richard Gilbert) und „I Love Rock and Roll“ (M & L: Jake Hooker, Alan Merrill), die im englischen Original zu hören sind, haben Robert Cary und Robbie Roth eine ganze Reihe neuer Songs geschrieben, die Allard Blom ins Niederländische übertragen hat. Wenn man ehrlich ist, bleiben die ursprünglichen Songs aus dem Film allerdings unerreicht. Bei den neuen Songs beschleicht einen häufig das Gefühl, das irgendwo schon einmal gehört zu haben. Die Musik wird von vier Musikern auf der Bühne live gespielt, diese haben ihren Platz auf zwei Profilstahlgestellen am rechten und linken Bühnenrand. Die Tonabmischung (Ton: Michael Story) ist bekanntlich mitunter eine Frage der Platzwahl im Auditorium, für mein Empfinden fehlte der Band eindeutig ein wenig der Druck. Allerdings habe ich auch schon das genaue Gegenteil gelesen, dass nämlich in den Ensemble-Nummern die Texte so gut wie nicht zu verstehen seien. Ungeachtet dessen dürfte ein wenig mehr Manpower an dieser Stelle keinesfalls schaden.

Carry Tefsen (Hannah) und Anouk Maas (Alexandra „Alex“ Owens); Foto Roy Beusker

Während für die Filmaufnahmen der virtuosen, akrobatischen Tanzsequenzen (Choreografie Jeffrey Hornaday) mit Jennifer Beals mindestens drei Körperdoubles zum Einsatz kamen, eines davon war sogar ein Mann (Profitänzerin Marine Jahan, Turnerin Sharon Shapiro, Breakdancer Richard Colón aka „Crazy Legs“), muss die Darstellerin im Musical alle Szenen auf der Bühne selbst spielen und auch tanzen. Rowen Aïda Ben Rabaa, die in der besuchten Vorstellung „Alex“ gespielt hat, hat nach ihrer Ausbildung an der Dansacademie Lucia Marthas in Amsterdam Kurse am renommierten Broadway Dance Center und am Steps on Broadway in New York City besucht und hat u. a. als Cover Stephanie Mangano in „Saturday Night Fever“ sowie im Ensemble von „Ich war noch niemals in New York“ in Zürich mitgespielt. Ob sie Alex als Understudy in einer zugesicherte Anzahl von Vorstellungen spielen oder tatsächlich nur bei Erkrankung oder anderweitiger Abwesenheit von Anouk Maas ihre Vertretung übernehmen darf entzieht sich meiner Kenntnis, aber ihre Rolleninterpretation war tadellos, sowohl tänzerisch als auch in Darstellung und Gesang. Ich gehe auch nicht davon aus, dass Anouk Maas in der Aufnahmeprüfung der Shipley Dance Academy die im Film gedoubleten Sequenzen auch auf der Bühne zeigt, während diese in Rowen Aïda Ben Rabaas Choreografie fehlten. Jim Bakkum flogen als Nick Hurley insbesondere die Herzen der weiblichen Zuschauer zu, der sich im Gegensatz zum Film auf der Bühne mit Rationa­li­sie­rungs­maßnahmen und Personal­umstrukturierungen im Stahlwerk herumschlagen muss, wodurch die Rolle ein wenig mehr Tiefgang bekommt. Gesanglich zeigte sich Jim Bakkum seiner Rolle in jedem Fall gewachsen. Frédérique Sluyterman van Loo war als Alexandras Ballettlehrerin/Mentorin Hannah Long zu sehen, die Alex bis zum ihrem eigenen unerwarteten Tod auf offener Bühne unnachgiebig zum Durchhalten drängt, in ihrem Song „Hannah´s antwoord“ weiß sie auch gesanglich auf sich aufmerksam zu machen. Die Beziehung zu ihrer von Melise de Winter gespielten Krankenschwester Louise unter dem Motto „Was sich liebt, das neckt sich“ kann wohl treffender nicht charakterisiert werden. Merel Schaftenaar (Tess), Jantien Euwe (Gloria), Rubiën Florens Vyent (Kiki) tanzen sich als Alexandras Freundinnen mit ihren Auftritten in Harrys Nachtclub in den Fokus, Rubiën Florens Vyent beeindruckt in „Manhunt“ mit großartiger souliger Stimme, und Jantien Euwe lässt unter Drogeneinfluss die Männer im Chameleon umwerfend verführerisch nach ihrer Pfeife tanzen.

Anouk Maas (Alexandra „Alex“ Owens); Foto Roy Beusker

Die Tourneeproduktion des Musicals „Flashdance“ kommt beim niederländischen Publikum ausgesprochen gut an, die besuchte Vorstellung wurde aufgrund großer Nachfrage zusätzlich in den Spielplan des Wilminktheaters in Enschede aufgenommen. Schaut man sich das Preis-Leistungs-Verhältnis an, so ist dies leicht nachvollziehbar: Bei einem Endpreis von 38 Euro für ein print@home-Ticket in der ersten Reihe, in dem bereits die Garderobengebühr, Kaffee/Tee vor der Vorstellung und Pausengetränke enthalten sind, sind die angesprochenen Kritikpunkte leicht zu verschmerzen. Dafür bekommt man zweidreiviertel Stunde Wohlfühlmusical geboten, in dem sich die Heldin ihren Traum erfüllt.

Anouk Maas (Alexandra „Alex“ Owens); Foto Roy Beusker

„Flashdance de Musical“ ist noch bis zum 26. Januar 2014 in Enschede (bis 12. Januar 2014), Zwolle (14. und 15. Januar 2014), Den Bosch (16. bis 19. Januar 20144) und Eindhoven (22. bis 26. Januar 2014) in den Niederlanden zu sehen. Weitere Produktionen von „Flashdance – Das Musical“ stehen ab 6. August 2014 beim Musical Sommer Amstetten, ab 20. September 2014 am Theater Chemnitz und ab 21. Februar 2015 am Theater St. Gallen auf dem Spielplan.

Anouk Maas (Alexandra „Alex“ Owens), Ensemble; Foto Roy Beusker

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