Vorschau: „Spring Awakening (Frühlings Erwachen)“

„Spring Awakening (Frühlings Erwachen)“ – nach dem Drama von Frank Wedekind; Musik: Duncan Sheik; Buch/Songtexte: Steven Sater; Deutsche Bearbeitung: Nina Schneider; Regie: Wolfgang Türks; Choreografie: Kati Farkas; Ausstattung: Beata Kornatowska; Dramaturgie: Ulla Theißen; Musikalische Leitung: Patricia M. Martin, Michael David Mills. Darsteller: Julian Culemann (Melchior Gabor), Sandra Pangl (Wendla Bergmann), Angelo Canonico (Moritz Stiefel), Anna Preckeler (Ilse), Matthias Kumer (Hänschen Rilow), Léonie Thoms (Martha Bessel), Jan Nicolas Bastel (Ernst Röbel), Christa Platzer/Martina Mann (Erwachsene Frauen), Daniel Berger (Erwachsene Männer), Tim Al-Windawe (Georg Zirschnitz), Inga Krischke (Thea), Yvonne Natalie Forster (Anna), Vera Anna Marie Weichel (Christa) und Richard Wolff (Otto). Band: Aleksandra Stanoeva (Violine), Botan Ozsan (Violoncello), Tim Bücher/Alexander Wünsche (Gitarre), Niklas Tikwe (Bass), Marvin Blamberg/Stefan Turton (Schlagzeug), Patricia M. Martin/Michael David Mills (Keyboards). Off-Broadway Premiere: 19. Mai 2006, Atlantic Theatre Company, New York City. Broadway-Premiere: 10. Dezember 2006, Eugene O´Neill Theatre, New York City. Deutschsprachige Erstaufführung: 21. März 2009, Ronacher, Wien. Premiere: 15. März 2013, Musiktheater im Revier, Kleines Haus, Gelsenkirchen.



„Spring Awakening (Frühlings Erwachen)“


Das Abschlussprojekt der Studierenden im Studiengang Musical der Folkwang Universität der Künste in Kooperation mit dem Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen


Brunch im Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen

Als Frank Wedekind (* 24. Juli 1864 in Hannover, † 9. März 1918 in München) sein gesellschaftskritisch-satirisches Drama „Frühlings Erwachen – Eine Kindertragödie“ im Oktober 1891 auf eigene Kosten beim Verlag Jean Groß in Zürich veröffentlichte, kümmerte sich der Autor nicht um Aufführbarkeit oder Publikumserfolg, erst 15 Jahre später wurde es am 20. November 1906 an den Berliner Kammerspielen von Max Reinhardt (* 9. September 1873 in Baden bei Wien, † 31. Oktober 1943 in New York) uraufgeführt und sorgte mit seinem brisanten Inhalt in der Öffentlichkeit für Furore. Wedekinds Kritik an der Sexualmoral führte dazu, dass „Frühlings Erwachen“ wegen seiner angeblichen Obszönität verboten oder zensiert wurde. 1999 wandte sich der amerikanische Dramatiker Steven Sater an den Regisseur Michael Mayer (* 27. Juni 1960 in Washington, D.C.), um mit ihm und Songwriter Duncan Sheik (* 18. November 1969 in Montclair, New Jersey) an dem Stoff zu arbeiten. Nach diversen Workshops und Überarbeitungen erlebte das Rock-Musical „Spring Awakening“ am 19. Mai 2006 bei der Atlantic Theatre Company seine Off-Broadway Premiere, keine 7 Monate später folgte am 10. Dezember 2006 im Eugene O´Neill Theatre die Broadway Premiere. Nach nahezu einhellig positiven Kritiken wurde es 2007 für 11 Tony Awards nominiert, wovon es acht tatsächlich gewonnen hat, darunter Bestes Musical, Beste Musicalregie, Beste Choreographie, Bestes Musicallibretto, Beste Originalmusik und Bester Nebendarsteller. Katrin Zechner war von der darstellerischen und musikalischen Intensität dieses Musicals überzeugt und holte es nach Wien, wo es am 21. März 2009 im Ronacher seine Deutschsprachige Erstaufführung erlebte, aber nur bis zum 30. Mai 2009 zu sehen war. Die deutsche Erstaufführung der neuen Bearbeitung der Österreicherin Nina Schneider (* 1973 in Salzburg) fand als Zusammenarbeit mit der Bayerischen Theaterakademie August Everding am 29. Juni 2011 am Deutschen Theater München statt, Regie führte Matthias Davids. Das Musiktheater im Revier zeigt in Kooperation mit der Folkwang Universität der Künste Essen „Spring Awakening (Frühlings Erwachen)“ von Duncan Sheik (Musik) und Steven Sater (Buch und Lyrics) in einer Inszenierung von Wolfgang Türks, der in der Wiener Inszenierung Moritz Stiefel verkörpert hat, ab dem 15. März 2013 im Kleinen Haus.

Richard Wolff, Anna Preckeler, Tim Al-Windawe, Léonie Thoms, Matthias Kumer, Yvonne Natalie Forster, Jan Nicolas Bastel, Vera Anna Marie Weichel (Anklicken zum Vergrößern des Bildes)

Frank Wedekinds Drama „Frühlings Erwachen – Eine Kindertragödie“ erzählt vom Erwachsenwerden in einer deutschen Provinzstadt im ausgehenden 19. Jahrhundert. Im Mittelpunkt stehen drei Schulkinder auf der Suche nach ihrer Sexualität: der aufgeklärte Gymnasiast Melchior Gabor, die vierzehnjährige Wendla Bergmann, die von ihrer konservativen Mutter nie aufgeklärt wurde, und der fünfzehnjährige Moritz Stiefel, der seinem besten Freund Melchior neben seinen schlechten Schulleistungen auch seine erwachende Sexualität anvertraut. Alle drei werden letzten Endes Opfer der elterlichen Moral. Wendla, deren Schwester Ina ein Kind bekommen hat, drängt ihre Mutter um Aufklärung, erfährt aber nur, dass zur Fortpflanzung große Liebe erforderlich sei. Moritz hat Probleme mit seinen erotischen Träumen, weshalb er Melchior bittet, eine schriftliche Ausarbeitung mit Illustrationen über die Fortpflanzung anzufertigen, damit er diese in Ruhe studieren kann. Wendla vollzieht mit Melchior den Beischlaf, ohne sich der möglichen Konsequenzen bewusst zu sein, und wird schwanger. Wendlas Mutter will die Schande, die aufgrund der Schwangerschaft auf die Familie fallen würde, vermeiden und schleppt ihre Tochter zu einem „Engelmacher“, stellt dies aber als eine Therapie gegen Bleichsucht (Eisenmangelanämie) dar. Bei der Abtreibung kommt Wendla zu Tode. Moritz muss in der Schule eine Klasse wiederholen, da nur 60 Schüler in die nächste Klasse versetzt werden können, bringt aber nicht den Mut auf, seine Eltern damit zu konfrontieren, sondern wählt als Ausweg anstelle des Ärgers und der Entrüstung der Eltern den Freitod. Nachdem Melchiors illustrierte Erläuterungen zum Beischlaf bei Moritz gefunden wurden, machen ihn seine Lehrer für den Freitod seines Freundes verantwortlich. Auch seine liberale Mutter kann ihn in dieser Situation nicht mehr schützen und gibt dem Bestreben seines Vaters nach, Melchior in eine Besserungsanstalt zu bringen. Als er schließlich auf dem Friedhof von Wendlas Tod erfährt, will er seinem Leben ebenfalls ein Ende setzen, doch die Seelen von Wendla und Moritz sprechen ihm Mut zu, so dass er von seinem Vorhaben ablässt. Steven Sater kam zu der Überzeugung, dass die Musik und der Song „Those you´ve known“ die Funktion übernommen hatten, Melchior neuen Mut zum Leben zu geben, weshalb er die Gestalt des „Vermummten Herrn“, dem Melchior in Wedekinds Vorlage am Ende auf dem Friedhof begegnet, schließlich gestrichen hat.

Anna Preckeler, Sandra Pangl, Vera Anna Marie Weichel,
Yvonne Natalie Forster, Léonie Thoms

Frank Wedekind kritisiert in seinem Drama die im Wilhelminischen Kaiserreich vorherrschende bürgerliche Sexualmoral, wobei er häufig grotesk überzogene Charaktere gebraucht, die dem Werk humoristische Züge verleihen. Seit der Entstehung des Dramas hat sich das äußere Umfeld zwar grundlegend gewandelt, doch „Spring Awakening (Frühlings Erwachen)“ zeigt, wie authentisch sich Literaturklassiker auf der Musicalbühne umsetzen lassen. Der Musikstil mit einer Mischung aus Rock-, Rockpop- und Folkrock-Songs ist nicht musicaltypisch, die Songs sind auch nicht handlungstragend, fügen sich aber dennoch als Monologe und Kommentare der Schulkinder hervorragend in die Handlung ein. Um das Heraustreten der Charaktere aus der Handlung im ausgehenden 19. Jahrhundert während der Songs zu unterstreichen, ließ Michael Mayer in seinen Inszenierungen in New York und Wien die Darsteller zum Singen Handmikrofone benutzen.

3. Jahrgang: Richard Wolff, Vera Anna Marie Weichel, Jan Nicolas Bastel, Yvonne Natalie Forster, Tim Al-Windawe (es fehlt Inga Krischke)

Im Studiengang Musical an der Folkwang Universität der Künste werden jährlich zum Sommersemester 6 StudentInnen aufgenommen. Die Studienplätze an den staatlichen Hochschulen sind sehr begehrt, allein an der Folkwang Universität gab es im letzten Jahr 180 Bewerber für die 6 Studienplätze im Studiengang Musical. In acht Semestern erfolgt eine grundlegende und breit gefächerte Ausbildung in den Bereichen Schauspiel, Tanz und Gesang. Des weiteren gehören zum Studium die Fächer Musiktheorie, Bewegungslehre, Musical- und Theatergeschichte, die im späteren Verlauf des Studiums durch Liedinterpretation, Combo-Auftritte und verschiedenartigste Theaterprojekte ergänzt werden. Viele dieser Projekte finden in den Aufführungsräumen der Hochschule statt und erfreuen sich beim Publikum größter Beliebtheit. Seit einigen Jahren wird zunehmend auf Koproduktionen mit externen Veranstaltern Wert gelegt, damit die Studierenden so früh wie möglich Erfahrungen im professionellen Theaterbetrieb sammeln können.

Kooperationen:
  • 2000: „The Apple Tree“, Choreographisches Zentrum NRW, PACT Zollverein
  • 2003: „Merrily we roll along“, Kooperation mit dem Musicalensemble NRW e. V., Tor 2, Essen
  • 2005: „The Wild Party“, Kooperation mit „Stars in Concert“, Weststadthalle Essen
  • 2006: „Bat Boy“, Kooperation mit dem Stadttheater Minden
  • 2007: „Pinkelstadt“, Kooperation mit dem Theater am Kirchplatz, Schaan (Liechtenstein)
  • 2009: „Into the Woods“, Kooperation mit dem Theater Hagen
  • 2010: „High Fidelity“, Kooperation mit dem Theater im Rathaus, Essen
  • 2011: „One Touch of Venus“, Kooperation mit dem Erholungshaus der Bayer AG, Leverkusen
  • 2012: „Ein Mann geht durch die Wand“, Kooperation mit dem Theater im Rathaus, Essen
  • 2013: „Spring Awakening (Frühlings Erwachen)“, Kooperation mit dem Musiktheater im Revier, Gelsenkirchen, und der Konzertdirektion Landgraf
Die Bandbreite der als Abschlussproduktionen aufgeführten Musicals reicht von den 1930er Jahren bis in die neueste Musicalgeschichte. In den Abschlussprojekten präsentiert jeweils der dritte und vierte Jahrgang des Studiengangs Musical eine große Ensembleproduktion, in diesem Jahr sind an „Spring Awakening (Frühlings Erwachen)“ Angelo Canonico (Moritz Stiefel), Julian Culemann (Melchior Gabor), Matthias Kumer (Hänschen Rilow), Sandra Pangl (Wendla Bergmann), Anna Preckeler (Ilse) und Léonie Thoms (Martha Bessel) (4. Jahrgang) sowie Jan Nicolas Bastel (Ernst Röbel), Yvonne Natalie Forster (Anna), Inga Krischke (Thea), Vera Anna Marie Weichel (Christa), Tim Al-Windawe (Georg Zirschnitz) und Richard Wolff (Otto) (3. Jahrgang) beteiligt. Auch für die 6-köpfige Band konnte Patricia M. Martin kompetente Musiker aus den Jazz- und Klassikabteilungen der Folkwang Universität „rekrutieren“, mit denen der Studiengang Musical kooperiert. Die Rollen der Erwachsenen Frauen und Männer werden von Christa Platzer aus dem Ensemble des MiR (bei den Vorstellungen im MiR) und Daniel Berger verkörpert. Daniel Berger war bereits in der Wiener Inszenierung in diesen Rollen zu sehen. Auch über die Abschlussproduktionen hinaus besteht eine Zusammenarbeit mit zahlreichen nordrhein-westfälischen Bühnen, unter anderem in Essen, Düsseldorf, Dortmund, Gelsenkirchen und Oberhausen. Begehrt ist der Studiengang Musical mit seinem Programm zudem als Gast bei Sonderveranstaltungen und Galas für Unternehmen sowie politisch und kulturell hochrangigen Veranstaltungen, beispielsweise der Kulturhauptstadt Europas RUHR.2010.

4. Jahrgang: Matthias Kumer, Sandra Pangl, Angelo Canonico,
Anna Preckeler, Julian Culemann, Léonie Thoms

Nachdem der 4. Jahrgang am vergangenen Donnerstag ein letztes Mal seine Eigenarbeit „Arschkarte“ im Pina Bausch Theater gezeigt hat, stand der Musikbrunch im Musiktheater im Revier am 17. Februar 2013 bereits ganz im Zeichen von „Spring Awakening (Frühlings Erwachen)“. Das Kreativteam um Studien­gangs­beauftragte und Musikalische Leiterin Patricia M. Martin und Regisseur Wolfgang Türks informierte im Vorfeld der Premiere bei Buffet und Kaffee – moderiert von Dramaturgin Ulla Theißen – zu Hintergründen des ungewöhnlichen Musicals, in dem die erwachsenen Figuren bezeichnender­weise nichts zu singen haben, und die Studierenden präsentierten erste Highlights aus dem Rock-Musical unter den monumentalen Wandarbeiten des französischn Künstlers Yves Klein im Westfoyer, begleitet von Patricia M. Martin am Flügel. Der emotional heftigste Song „Totally Fucked“, der dem Broadway-Castalbum neben zwei weiteren Songs den Vermerk „Parental Advisory – Explicit Content“ eingebracht hat und bei dem in den Inszenierungen von Michael Mayer Fräulein Knüppeldick schließlich sogar mit dem Rohrstock auf Direktor Knochenbruch einschlägt, wurde beim Musikbrunch noch nicht präsentiert, womöglich mit Rücksicht auf die Besucher, die sich auf Beiträge aus „Lady Macbeth von Mzensk“ (Premiere am MiR 9. Februar 2013, Regie Generalintendant Michael Schulz) eingestellt hatten, die aus dispositionellen Gründen entfallen sind.

Sandra Pangl, Anna Preckeler, Léonie Thoms
Angelo Canonico, Julian Culemann, Matthias Kummer

Dementspechend gab es für die Studierenden mehr Gelegenheit, die Bandbreite ihres Könnens zu zeigen. Neben vier Songs aus „Spring Awakening (Frühlings Erwachen)“ gab es sechs weitere Songs zu hören. Im einzelnen waren dies
  • Alle: „Ich vertrau´“ („I believe“) aus „Spring Awakening“
  • Girls: „Mama“ („Mama who bore me“) aus „Spring Awakening“
  • Boys: „Verficktes Leben“ („The Bitch of living“) aus „Spring Awakening“
  • Léonie Thoms: „I´m a stranger here myself“ aus „One Touch of Venus“ von Kurt Weill (Musik) und Ogden Nash (Lyrics)
  • Matthias Kumer: „It only takes a moment“ aus „Hello Dolly“ von Jerry Herman
  • 3. Jahrgang: „A new world“ aus „Songs for a new world“ von Jason Robert Brown
  • Anna Preckeler, Sandra Pangl, Angelo Canonico: „Can´t I just be“ von Michael Kooman und Christopher Dimond
  • Julian Culemann: „What am I doing“ aus „Closer than ever“ von David Shire (Musik) und Richard Maltby, Jr. (Lyrics)
  • 4. Jahrgang: „Defying gravity“ aus „Wicked: The Untold Story of the Witches of Oz“ von Stephen Schwartz in einem Arrangement der Broadway Boys
  • Alle: „Spür mich“ („Touch me“) aus „Spring Awakening“
„Spring Awakening (Frühlings Erwachen)“ wird nicht nur am Musiktheater im Revier im Kleinen Haus zu sehen sein, sondern auch als Tournee der Konzertdirektion Landgraf im deutschsprachigen Raum. Aufführungstermine und -orte sind hier zu finden.

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