Les Misérables

„Les Misérables“ – Verfilmung des gleichnamigen Muiscals nach dem Roman von Victor Hugo; Vereinigtes Königreich 2012; 158 Minuten; Musik: Claude-Michel Schönberg; Regie: Tom Hooper; Drehbuch: William Nicholson/Alain Boublil/Claude-Michel Schönberg/Herbert Kretzmer; Kamera: Danny Cohen; Szenenbild: Eve Stewart; Schnitt: Chris Dickens/Melanie Ann Oliver; Kostüme: Paco Delgado; Orchestrierung: Anne Dudley/Stephen Metcalfe; Musikalische Leitung: Becky Bentham; Dirigent: Stephen Brooker. Darsteller: Hugh Jackman (Jean Valjean), Russell Crowe (Inspektor Javert), Anne Hathaway (Fantine), Isabelle Allen (Cosette, ihre Tochter, als Kind), Amanda Seyfried (Cosette als heranwachsendes Mädchen), Mike Jibson (Vorarbeiter), Colm Wilkinson (Monseigneur Bienvenu, Bischof von Digne), Sacha Baron Cohen (Thénardier), Helena Bonham Carter (Madame Thénardier), Samantha Barks (Éponine Thénardier, ihre Tochter), Marc Pickering (Montparnasse), Ian Pirie (Babet), Adam Pearce (Brujon), Julian Bleach (Claquesous, Räuberbande der Thénardiers), Eddie Redmayne (Marius Pontmercy, Student), Aaron Tveit (Enjolras, Anführer der Studenten), Killian Donnelly (Combeferre), Gabriel Vick (Feuilly), Fra Fee (Courfeyrac), Hugh Skinner (Joly), George Blagden (Grantaire), Stuart Neal (Lesgles), Alistair Brammer (Jean Prouvaire, Studenten), Daniel Huttlestone (Gavroche, ein Pariser Straßenjunge), Kerry Ellis (Fabrikarbeiterin), Frances Ruffelle (Prostituierte), Jacqueline Dankworth (Bettlerin), Nicola Sloane (Hair Crone), Bertie Carvel (Bamatabois), Stephen Tate (Fauchelevent) u. a.; FSK ab 12 Jahre



„Les Misérables“


Claude-Michel Schönbergs Musical auf der großen Leinwand


Nachdem die britische Verfilmung des gleichnamigen Musicals in der Regie von Tom Hooper bereits am 5. Dezember 2012 im Odeon Leicester Square in London seine Weltpremiere erlebte, am 25. Dezember 2012 in den USA und am 11. Januar 2013 in UK veröffentlicht wurde und schließlich die Vorführung bei der diesjährigen Berlinale am 9. Februar 2013 im Friedrichstadt-Palast von diversen Multiplex-Kinos übertragen wurde, dürften den Film wohl zwischenzeitlich alle Musical-Interessierten gesehen haben, selbst der offizielle Kinostart in Deutschland am 21. Februar 2012 fand bereits vergangene Woche statt. Derweil folgten auf die Auszeichnung am 13. Januar 2013 mit drei Golden Globe Awards (Bestes Filmmusical, Hugh Jackman als Bester Musical-Hauptdarsteller, Anne Hathaway als Beste Nebendarstellerin) bei den 66th British Academy Film Awards am 10. Februar 2013 vier Auszeichnungen (Anne Hathaway als Beste Nebendarstellerin, Simon Hayes (Production Sound Mixer), Andy Nelson, Mark Paterson (Re-Recording Mixers), Lee Walpole, John Warhurst (Supervising Sound Editors), Jonathan Allen (Music recorded and mixed by) für Bester Ton, Eve Stewart (Production Designer), Anna Lynch-Robinson (Set Decorator) für Bestes Szenenbild, Lisa Westcott (Hair and Make Up Designer) für Beste Maske) und bei den den 85th Academy Awards am 24. Februar 2013 drei Oscars (Anne Hathaway als Beste Nebendarstellerin, Simon Hayes (Production Sound Mixer), Andy Nelson, Mark Paterson (Re-Recording Mixers) für Bester Ton, Lisa Westcott (Hair Designer), Julie Dartnell (Make-Up & Hair Artist) für Bestes Make-Up und Frisuren)). „Les Misérables“ spielte bei einem Produktionsbudget von 61 Millionen US-Dollar lt. Box Office Mojo bis 26. Februar 2013 weltweit 395.086.315 US-Dollar ein.

Großer Saal der Lichtburg Essen

Da für mich von Anfang an feststand, dass ich mir diesen Film auf der mit 160 m² größten Rollbildwand Europas im mit 1.250 Plätzen größten Kinosaal Deutschlands am Kinotag ansehen möchte, war ein wenig Geduld gefragt. In der Zwischenzeit sind weltweit tausende von Kritiken zu diesem Film publiziert worden, da dürfte für jeden das Passende dabei sein, unabhängig davon, ob man nun nach einer Besprechung sucht, die den eigenen Eindrücken am nächsten kommt, oder lieber nach einer, über die man am besten lästern kann… Foren sind voll mit Diskussionen über Filmkritiken, dort wird mit Hohn und Spott nicht gespart. Und daher werde ich mir an dieser Stelle auch nicht mehr die Zeit für eine detaillierte Besprechung nehmen, wo doch eigentlich schon alles gesagt ist. Ich betrachte diesen Blogeintrag eher als meine persönlichen Gedanken und Notizen zu diesem Film – die Namensgebung für den gesamten Weblog sollte dies von Anfang an unterstreichen – wer darin stöbern möchte, kann das gern tun, wer anderer Meinung ist, kann die auch gern kundtun, aber eben nicht in unflätiger Art und Weise in meinem Notizblock. Überhaupt wäre es wohl mal an der Zeit, hier ein wenig „Tabula rasa zu machen“, doch hebe ich mir das lieber für Blogeinträge auf, in denen es dann auch gelesen wird…

Aus meiner Sicht hat sich der Kinobesuch in der Lichtburg Essen auf jeden Fall gelohnt. Für mein Empfinden kommt kein Multiplex-Kino an das Flair des historischen Filmtheaters heran, das in Bezug auf Projektionstechnik und Tonanlage hinter keinem Multiplex-Kinos zurückzustehen braucht. Ein klein wenig verwundert hat mich der geringe Zuschauer­zu­spruch am Dienstagabend. Wie bereits erwähnt ist der Dienstag in der Lichtburg Kinotag, an dem im Parkett mit 696 Plätzen für „Les Misérables“ 6,50 € Eintritt inkl. 1,00 € Überlängenzuschlag zu zahlen sind. Günstiger dürfte man einen „Musicalbesuch“ wohl nirgends bekommen. Dennoch hatten sich lediglich 16 Zuschauer ins Parkett „verlaufen“, was dann schon fast an eine geschlossene Vorstellung erinnert. Das mag zwar auch Vorteile haben, aber für die Kinobetreiberin dürften wohl die Nachteile überwiegen. Es ist zwar schon über 10 Jahre her, seit „Les Misérables“ im Theater am Marientor in Duisburg im Zuge des Konkurs­ver­fahrens der Stella AG im November 1999 eingestellt wurde, doch auch nach dieser Zeit scheint das Interesse an dem Stoff in der Metropole Ruhr nicht sonderlich groß zu sein. Ungeachtet dessen steht der Film aber auch noch vom 28. Februar bis 6. März 2013 in der Lichtburg mit täglich zwei Vorstellungen in der Englischen Originalfassung mit deutschen Untertiteln (ohne Synchronisierung der gesprochenen Texte) auf dem Programm.

Tom Hoopers Film stellt eine bildgewaltige Leinwandumsetzung des Bühnenmusicals dar, dessen geschichtlichen Hintergrund die Pariser Barrikadenkämpfe während des Juniaufstandes von 1832 bilden. Erzählt wird die Geschichte des auf Bewährung freigelassenen Sträflings Jean Valjean, der auf der Flucht vor Inspektor Javert Fantines Tochter Cosette als Ziehvater bei sich aufnimmt. Während der Barrikadenkämpfe rettet Jean Valjean aus Liebe zu Cosette ihren Geliebten Marius Pontmercy ohne dessen Wissen. Als Marius schließlich bei der Hochzeit mit Cosette davon erfährt und Jean Valjean um Verzeihung bitten möchte, liegt dieser bereits im Sterben. Die Filmumsetzung gibt einen guten Eindruck von der Übermacht der Regierungstruppen gegenüber den Aufständischen und lässt dementsprechend nachvollziehen, warum der Juniaufstand keine unmittelbaren politischen Veränderungen zur Folge hatte. Für die Hauptrollen wurden größtenteils Hollywoodgrößen besetzt, nur wenige Hauptdarsteller haben tatsächlich eine Musical-Ausbildung durchlaufen. Auch Hugh Jackman, der 2004 für seine Interpretation des Peter Allen in „The Boy from Oz“ den Tony Award als Bester Hauptdarsteller gewonnen hat, hat ursprünglich eine Schauspielausbildung absolviert. Colm Wilkinson, der im Film den Bischof von Digne spielt, hat in der Uraufführung von „Les Misérables“ die Rolle des Jean Valjean kreiert. Samantha Barks hat ihre Filmrolle der Éponine Thénardier bereits am Londoner West End und in der konzertanten Aufführung zum 25-jährigen Jubiläum im The O2 in Greenwich gesungen. Vor diesem Hintergrund kann man natürlich nicht erwarten, dass alle Darsteller absolut perfekt singen können. Vielmehr ist anzunehmen, dass die Besetzung im Hinblick auf allgemeinen Publikumszuspruch und dementsprechenden finanziellen Erfolg ausgewählt wurde. Was hilft eine Besetzung mit „perfekten“ Musicaldarstellern, die einem breiten, nicht Musical-affinen Publikum unbekannt sind, wenn der Film dann vor leeren Kinosälen gespielt wird? Gemessen am o. g. Einspielergebnis wurde offensichtlich ein guter Kompromiss gefunden, mögen die Hardcore-Musicalfans auch noch so zetern… sie schauen sich den Film ja dennoch an.

Mir persönlich hat die Umsetzung des Musicals im Film gut gefallen, das Medium bietet natürlich im Vergleich zur Ausstattung auf der Bühne auch weitaus mehr Möglichkeiten, auch wenn einige Details dann doch wieder künstlich wie auf einer Bühne wirken. Witzigerweise hat mich „On My Own“ von Samantha Barks an eine Vorstellung des Musicals bei den Bad Hersfelder Festspielen erinnert, in der Janina Goy die Rolle der Éponine verkörperte, und bei ihrem Song „Nur für mich“ mit der Textzeile „Regen fällt, die Straße fließt wie Silber“ fing es tatsächlich an zu regnen. Die Szene schreit im Film doch geradezu nach einsetzendem Regen, wer wundert sich da noch, dass sie tatsächlich so inszeniert ist? Im Film stehen jederzeit die Darsteller im Vordergrund, das kommt zum einen durch die Nahaufnahmen bei den Songs zum Ausdruck, bei deren Aufnahme die Darsteller live gesungen haben, und zum anderen tritt auch das nachträglich hinzugemischte Orchester gegenüber dem Gesang in den Hintergrund. Wer vom Orchester „weggeblasen“ werden möchte, der wird von diesem Film mit der beschriebenen Tonabmischung sicher enttäuscht sein. Nun fragt sich der geneigte Leser sicher, ob er sich den Film anschauen soll… ich denke, das hängt wirklich von den persönlichen Vorlieben ab, und da diese ganz individuell sind, ist diese Frage sicher nicht global zu beantworten.