„Curtains – Vorhang auf für Mord“

„Curtains – Vorhang auf für Mord“ – nach dem Buch und Konzept von Peter Stone; Musik: John Kander; Gesangstexte: Fred Ebb; Buch: Rupert Holmes; Deutsche Bearbeitung: Wolfgang Adenberg; Inszenierung: Ulrich Peters; Choreografie: Annette Taubmann; Bühne und Kostüme: Bernhard Niechotz; Dramaturgie: Ronny Scholz; Musikalische Leitung: Thorsten Schmid-Kapfenburg. Darsteller: Boris Leisenheimer (Lieutenant Frank Cioffi), Corinna Ellwanger (Niki Harris, Sängerin und Tänzerin, Jessica Cranshaws Understudy), Julia Gámez Martin (Georgia Hendricks, Liedtexterin), Suzanne McLeod (Carmen Bernstein, Produzentin), Ilja Harjes (Aaron Fox, Komponist), Sascha Stead (Bobby Pepper, Choreograf und Tänzer), Christian Bo Salle (Christopher Belling, Regisseur), Kiara Lillian Brunken (Bambi Bernét, Carmen Bernsteins Tochter), Helge Tramsen (Daryl Grady, Theaterkritiker beim Boston Globe), Christoph Rinke (Johnny Harmon, Inspizient), Wolfgang Scheiner (Oscar Shapiro, Geldgeber), Frank-Peter Dettmann (Sidney Bernstein, Produzent, Carmen Bernsteins Mann), Claudia Hübschmann (Jessica Cranshaw, Hollywood-Star), Christian-Kai Sander (Randy Dexter, Sänger und Tänzer), Lars Hübel (Harv Fremont, Sänger und Tänzer), Frank Göbel (Detective O’Farrell, Lt. Frank Cioffis Kollege), TanzTheater Münster, Opernchor des Theaters Münster. Uraufführung: 25. Juli 2006, Ahmanson Theatre, Los Angeles. Broadway Premiere: 22. März 2007, Al Hirschfeld Theatre, New York City. Deutsche Erstaufführung: 5. November 2011, Landestheater Coburg. Premiere: 11. Februar 2017, Theater Münster, Großes Haus.



„Curtains – Vorhang auf für Mord“


Das Krimi-Musical am Theater Münster


„Curtains“, eine gelungene Kombination aus Kriminalgeschichte und Backstage-Musical, ist das letzte gemeinsame Werk des legendären Autorenduos John Kander und Fred Ebb („Cabaret“, „Chicago“, „Kuss der Spinnenfrau“). Nach dem Tod des Buchautors Peter Stone am 26. April 2003 und des Textautors Fred Ebb am 11. September 2004 vollendete Rupert Holmes („The Mystery of Edwin Drood“) gemeinsam mit dem Komponisten John Kander das Musical. Die Show wurde am 25. Juli 2006 am Ahmanson Theatre in Los Angeles uraufgeführt, bevor sie an den Broadway transferiert wurde, am 22. März 2007 am Al Hirschfeld Theatre Premiere feierte und dort bis 29. Juni 2008 in 511 Vorstellungen gezeigt wurde. Die Broadway-Produktion war 2007 in acht Kategorien für den Antoinette Perry Award for Excellence in Theatre nominiert, David Hyde Pierce (Lieutenant Frank Cioffi) gewann die Auszeichnung in der Kategorie ‚Best Performance by a Leading Actor in a Musical‘. 2007 war „Spring Awakening“ von Duncan Sheik (Musik) und Steven Sater (Liedtexte, Buch) für 12 Tony Awards nominiert und gewann acht Auszeichnungen. Das Landestheater Coburg zeigte am 5. November 2011 die Deutschsprachige Erstaufführung von „Curtains – Vorhang auf für Mord“ in einer Inszenierung von Jean Renshaw mit Jens Janke als Lieutenant Frank Cioffi. Misst man Millionen von Zuschauern bei ZDF und ARD mit dem Privatdetektiv „Wilsberg“ und dem „Münster-Tatort“ eine Bedeutung bei, so ist Münster geradezu die „westfälische Hochburg des Verbrechens“. Da lag es fast auf der Hand, dem am Theater etwas Adäquates entgegenzusetzen, was Generalintendant Ulrich Peters mit „Curtains – Vorhang auf für Mord“ in der Spielzeit 2016/17 auch gelungen ist.

Boris Leisenheimer (Lieutenant Frank Cioffi, Mitte), Ensemble, Opernchor, Tantheater
© Oliver Berg, Theater Münster

Im Bostoner Colonial Theatre fällt zum Schluss der Premiere des wenig vielversprechenden Musicals „Robbin’ Hood of the Old West“ nicht nur der Vorhang zu Boden, sondern auch die Diva Jessica Cranshaw, die in letzter Zeit nur noch durch Textunsicherheit und sängerisches wie tänzerisches Unvermögen auf sich aufmerksam gemacht hat, weshalb sie auch niemandem wirklich zu fehlen scheint. Nachdem Produzentin Carmen Bernstein, Komponist Aaron Fox, Liedtexterin Georgia Hendricks und Financier Oscar Shapiro die vernichtenden Kritiken gelesen haben, wird bekannt, dass Jessica Cranshaw gestorben ist, sie wurde mit einer Zyankali-Kapsel vergiftet. Lieutenant Frank Cioffi vom Boston Police Department ordnet an, dass keiner das Theater verlassen darf, bis der Täter ermittelt ist, schließlich sei jeder der Showleute verdächtig. Frank Cioffi beginnt seine Ermittlungen – doch dann geschieht das für den theaterbegeisterten Kriminologen Unfassbare: Die Darsteller der Produktion wollen aufgeben. „The show must go on“, ermutigt der Inspektor seine Helden und gerät während der Verbrecherjagd auf kreative Abwege. Mit seinen Erfahrungen aus dem Amateurtheater gibt er der Inszenierung neue Impulse und macht sich damit auch ein wenig selbst verdächtig. Zumal es nicht bei dem einen Mord an Jessica Cranshaw und auch nicht bei dem zweiten Mord an Produzent Sideny Bernstein bleibt… Obendrein verliebt sich Frank Cioffi in die hübsche, ein wenig naiv wirkende Sängerin und Tänzerin Niki Harris, ursprünglich Jessica Cranshaws Understudy. Während die Show weiter überarbeitet wird und der große Traum von einem Erfolg am Broadway zum Greifen nahe scheint, zeigt sich hinter der glamourösen Fassade die Skrupellosigkeit im Showgeschäft… Der Ausgang der Kriminalgeschichte bleibt in jedem Fall überraschend und unerwartet.

Julia Gámez Martin (Georgia Hendricks, Mitte), Opernchor, Tanztheater
© Oliver Berg, Theater Münster

„Curtains – Vorhang auf für Mord“ gehört wie „42nd Street“, „Kiss me, Kate“ oder „A Chorus Line“ zum Genre des Backstage-Musicals, in dem John Kander und Fred Ebb auf dem Zenit ihrer erfolgreichen Karriere augenzwinkernd auf die Welt des Theaters blicken. Mit vielen Anspielungen auf andere Musicals wie „The Wizard of Oz“ oder berühmte Filmpaare wie Fred Astaire und Ginger Rogers – hier ist sie wieder, die Stepptanzszene zu „A Lovely Night“ auf dem Mt. Hollywood Drive aus „La La Land“ von Damien Chazelle, für die Ryan Gosling und Emma Stone von den Kritikern in den höchsten Tönen gelobt werden, in „Curtains – Vorhang auf für Mord“ zu „Wir wären der Knüller“ („A Tough Act to Follow“) – und zahllosen Pointen kommen Theaterliebhaber voll auf ihre Kosten. Generalintendant Ulrich Peters hat das Musical am Theater Münster mit 16 Solisten aus dem Musiktheater- und Schauspiel-Ensemble des Theaters Münster, zahlreichen Musicaldarstellern als Gäste sowie dem TanzTheater Münster und dem Opernchor des Theaters Münster beinahe opulent – für Stadttheater-Verhältnisse – in Szene gesetzt. Ausstatter Bernhard Niechotz hat für die Spielszenen des Musicals „Robbin’ Hood of the Old West“ die Kulissen eines Western-Städtchen entworfen, seine Kostüme wechseln zwischen Wildem Westen und dem Flair der späten 1950er-Jahre – während der Aufführung sollen an die 200 Kostüme zum Einsatz kommen, Kostümwechsel in weniger als einer Minute inbegriffen. Choreografin Annette Taubmann hat das Kunststück zustande gebracht, Tänzer, Schauspieler, Opernsänger und Musicaldarsteller alle „unter einen Hut“ zu bekommen und ansehnliche Tanzszenen einstudiert, die in den Up-tempo Nummern im typischen Broadway-Stil auch optisch etwas hermachen. John Kanders abwechslungsreiche Partitur ist beim Sinfonieorchester Münster unter der Musikalischen Leitung von Thorsten Schmid-Kapfenberg in guten Händen, auch die tontechnische Abstimmung zwischen Sängern und Musikern ist tadellos.

Boris Leisenheimer (Lieutenant Frank Cioffi) und Corinna Ellwanger (Niki Harris)
© Oliver Berg, Theater Münster

Erfreulicherweise gelingt es dem gesamten Ensemble, jeden einzelnen Charakter überzeugend zu nuancieren. Eindrucksvoll gelingt die Charakterisierung zahlreicher Beteiligter und deren unterschiedlicher Interessen, das von der Kritik verrissene Musical „Robbin’ Hood of the Old West“ doch noch an den Broadway zu bringen. Der klassisch ausgebildete Tenor Boris Leisenheimer aus dem Musiktheaterensemble tritt stilecht mit Trenchcoat als Lieutenant Frank Cioffi auf den Plan und nimmt dienstbeflissen die Ermittlungen auf, doch schon bald kennt seine Begeisterung für die Theaterwelt kein Halten mehr und Boris Leisenheimer läuft geradezu zur Höchstform auf, wenn er mit seinen Ideen „Robbin’ Hood of the Old West“ retten kann. Vom ersten Augenblick an ist er von Niki Harris angetan, die von Corinna Ellwanger (Grace O’Malley in „The Pirate Queen“, Theater Nordhausen; Hope Harcourt in „Anything Goes“, Theater Münster; Truly Scrumptious in „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“, Staatstheater am Gärtnerplatz München) herrlich naiv dargestellt wird. Sie ermutigt ihn zu den ersten Steppschritten auf den Brettern, die die Welt bedeuten, und schon bald geben die beiden die Parodie eines Glamourpaares ab, das wie Fred Astaire und Ginger Rogers über die Bühne tanzt. Ilja Harjes aus dem Schau­spiel­ensemble und Julia Gámez Martin (Lucy Harris in „Jekyll & Hyde“, Tiroler Landestheater Insbruck; Dionne in „Hair“, Theater Ulm; Aida in „Elton John & Tim Rice’s Aida“, Schlossfestspiele Ettlingen; Magenta in „The Rocky Horror“, Theater Ulm) verkörpern das Komponisten- und Liedtexter-Paar von „Robbin’ Hood of the Old West“. Das Ehepaar hat sich auseinander gelebt, aber Aaron Fox sehnt sich immer noch nach seiner Ehefrau Georgia Hendricks, die vom Regisseur Christopher Belling als Ersatz für die dahingeschiedene Hauptdarstellerin Jessica Cranshaw verpflichtet wird. Während Georgia Hendricks zunächst verhalten reagiert, entdeckt sie ihre Leidenschaft für die Bühne im Laufe der Proben erneut. Julia Gámez Martin meistert diesen anspruchsvollen Part mit sicherem Spiel und schöner Gesangsstimme und wächst in die Aufgabe der Hauptdarstellerin Madame Marian souverän hinein. In dem einfühlsamen Song „Mir fehl’n die Lieder“ („I miss the music“) bringt Ilja Harjes melancholisch Aarons Gefühle zum Ausdruck. Die australische Mezzosopranistin Suzanne McLeod gibt als dreiste, theaterbesessene Produzentin Carmen Bernstein tiefe Einblicke in die Skrupellosigkeit im Showgeschäft, und obwohl sie doch ihre Tochter Bambi Bernét aufs Schärfste kritisiert und herabwürdigt, wünscht sie sich nichts sehnlicher als ihren Erfolg. Kiara Lillian Brunken (Mausi in „Cabaret“, TIPI AM KANZLERAMT; Schweinchen Wild in „GRIMM!“, Neuköllner Oper Berlin) fällt die Aufgabe zu, diesen aufmüpfigen Charakter mit Leben zu füllen. In der Tanzeinlage zu „Kansasland“ kann Kiara Lillian Brunken eindrucksvoll ihr Talent unter Beweis stellen. Christian Bo Salle aus dem Schauspielensemble, der als Regisseur Christopher Belling vom Regiepult mitten im Zuschauerraum im energischen Tonfall seine Anweisungen gibt, versetzt die Zuschauer im Auditorium geradewegs in eine reale Probensituation. Sascha Stead (Erich A. Collin in „Die Comedian Harmonists“, Stadttheater Bremerhaven; „Singin’ in the Rain“, Staatstheater am Gärtnerplatz München; Gremio in „Kiss me, Kate“, Oper Kiel), der als Choreograf Bobby Pepper auch die Hauptrolle in „Robbin’ Hood of the Old West“ verkörpert und damit eine Bedrohung für die Beziehung von Georgia Hendrickss und Aaron Fox darstellt, kann vor allem mit seinen gekonnten Tanzeinlagen überzeugen.

Kiara Lillian Brunken (Bambi Bernét), Julia Gámez Martin (Georgia Hendricks), Corinna Ellwanger (Niki Harris), Sascha Stead (Bobby Pepper), Opernchor, Tanztheater
© Oliver Berg, Theater Münster

Mit dem Musical „Curtains – Vorhang auf für Mord“ ist dem Theater Münster ein neuer kurzweiliger, amüsanter Kriminalerfolg gelungen, der sich zwar ganz sicher nicht die nächsten 20 Jahre auf dem Spielplan halten wird wie die Krimiserie „Wilsberg“ seit der Erstaustrahlung am 20. Februar 1995 im ZDF, aber nach gut dreistündiger Aufführung zeigte sich das Premierenpublikum begeistert und belohnte Darsteller und Kreative mit langanhaltendem Applaus. „Curtains – Vorhang auf für Mord“ steht in der Spielzeit 2016/17 bis 8. Juli 2017 auf dem Spielplan, die nächsten Aufführungen stehen am 17., 24. und 26. Februar 2017 auf dem Programm.

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