„Die Märchenwelt zur Kur bestellt“

„Die Märchenwelt zur Kur bestellt“ – Generationsübergreifendes Familienmusical; Musikalische Leitung, Kompositionen, Arrangement: Heribert Feckler; Inszenierung: Marie-Helen Joël; Choreografie: Michelle Yamamoto; Ausstattung: Beata Kornatowska; Licht: René Dreher; Dramaturgie und Regieassistenz: Sandra Paulkowsky. Darsteller: Christina Clark (Aschenputtel), Marie-Helen Joël (Schneewittchen), Jana Stelley (Froschprinzessin), Tim David Hüning (Das tapfere Schneiderlein), Henrik Wager (Kaiser ohne Kleider), Frank Winkels (Rumpelstilzchen), Jennifer Bayne (Gretel), Anja Heimann (Rotkäppchen), Kristina Svilpa (Dornröschen), Raphael Baronner (Wolf), Benjamin Quade (Prinz), Linus Twardon (Hänsel). United Rock Orchestra: Heribert Feckler (Klavier), Thomas Meyer (Keyboard), Roger Schaffrath (Gitarre), Gero Gellert (Bass), Oliver Kerstan (Schlagzeug). Uraufführung: 18. Dezember 2015, Aalto-Theater Essen.



„Die Märchenwelt zur Kur bestellt“


Generationsübergreifendes Familienmusical am Aalto-Theater Essen


Weihnachten steht vor der Tür, in wenigen Tagen bekommen die Kleinen Ferien und wollen dementsprechend von den Eltern bespaßt werden. Da könnte man sie einfach vor die Glotze setzen oder ihnen die Spielkonsole in die Hand drücken, dann hat man vorerst seine Ruhe, aber man könnte natürlich auch mal zur Abwechslung mit der ganzen Familie ins Theater gehen. Gerade zur Weihnachtszeit ist das Angebot groß, alle Jahre wieder wird im Revier beispielsweise die Geschichte vom geizigen und verbitterten Geschäftsmann Ebenezer Scrooge mit Musik aus der Konserve zu familienfreundlichen Preisen von 275,60 € zzgl. Versandkosten für eine vierköpfige Familie (zwei Kinder bis 14 Jahre) in der PK1 am Freitag und Samstag angeboten, womit das Ende der Fahnenstange noch gar nicht erreicht sein dürfte, schließlich kommen Anfahrt, Getränke u. ä. noch on top. Das wird sich für Otto Normalverbraucher sicher nicht so verlockend anhören, aber glücklicherweise gibt es auch Angebote für den schmaleren Geldbeutel, wobei man in Bezug auf Qualität und Unterhaltungswert nicht einmal Abstriche machen muss. Beispielsweise bietet das Aalto-Musiktheater im theaterpädagogischen Bereich „Abenteuer Aalto“ um die Weihnachtszeit als „Abenteuer Musiktheater“ das generationsübergreifende Familienmusical „Die Märchenwelt zur Kur bestellt“ an, das von der genannten vierköpfigen Familie für 43,60 € in der Platzgruppe 1 besucht werden kann. Für Figuren aus Grimms Märchen haben Sie nur noch ein müdes Lächeln übrig? Seien Sie versichert, das „Abenteuer Musiktheater“, das Marie-Helen Joël, Leitung Theaterpädagogik am Aalto-Theater, hier auf die Beine gestellt hat, hat es in sich und hält auch für Erwachsene sehr viel mehr Überraschungen bereit als man auf den ersten Blick vermuten könnte. Beispielhaft sei hier die kleine Anspielung auf die amerikanische Familienserie „Die Waltons“ („Gute Nacht, John-Boy – Gute Nacht, Elizabeth“) zum Ende des ersten Teils genannt, die vor beinahe 40 Jahren im ZDF ausgestrahlt wurde, oder der kleine Seitenhieb auf den Ersatz klassischer Instrumente durch Keyboards in diversen Musiktheaterproduktionen.

Christina Clark (Aschenputtel); Foto: Saad Hamza

„Die Märchenwelt zur Kur bestellt“ handelt von Aschenputtel (Christina Clark), Schneewittchen (Marie-Helen Joël), der Froschprinzessin (Jana Stelley), dem tapferen Schneiderlein (Tim David Hüning), dem Kaiser ohne Kleider (Henrik Wager) und Rumpelstilzchen (Frank Winkels), die allesamt Probleme mit der ihnen zugedachten Rolle haben: Die Froschprinzessin will ihren Frosch nicht mehr an die Wand klatschen, Aschenputtel läuft aus gesundheitlichen Gründen am liebsten mit bloßen Füßen, Schneewittchen hat es wegen einer Allergie satt, immer in Äpfel beißen zu müssen, und die „Märchenmänner“ sind auch nicht mehr das, was sie mal waren. Im „Kurhotel Grimm“ sollen die „Märchenversager“ von ihren Leiden kuriert und wieder einsatzfähig gemacht werden. Wer sich die Überraschung bewahren möchte, sollte den folgenden Abschnitt überspringen.

Tim David Hüning (Das tapfere Schneiderlein) und Henrik Wager (Kaiser ohne Kleider); Foto: Saad Hamza

Nachdem sich Aschenputtel beim Pilze Sammeln im Wald als große Pilzkennerin erwiesen hat, hält der Speiseplan beim gemeinsamen Abendessen für jeden das passende Gericht bereit, aus „Money, Money, Money“ der schwedischen Popgruppe ABBA wird kurzerhand „Pilze, Pilze, Pilze“. Der Kaiser ohne Kleider erwischt einen Pilz mit berauschender Wirkung, was nicht ohne Folgen bleibt: Unter dem Einfluss psychotroper Wirkstoffe steigt er auf den Tisch und glaubt, fliegen zu können („I Believe I Can Fly“ von R. Kelly). Der Froschprinzessin gelüstet es dagegen eher nach einem neuen Helden: „Ich brauch’ ’nen Helden“ („Holding Out for a Hero“ von Bonnie Tyler). Schließlich unterstützen sich die Märchenfiguren gegenseitig: Das Rumpelstilzchen, das doch im Märchen so gern um das Feuer tanzt, betätigt sich als Tanzlehrer und versucht, Aschenputtel das Tanzen in gläsernen Schuhen beizubringen, ohne auch nur die geringste Ahnung von den Frauenschritten zu haben, und der Kaiser ohne Kleider, das tapfere Schneiderlein und die Froschprinzessin beteuern, nicht mehr allein leben zu wollen („Without You“ von Pete Ham und Tom Evans)…

Christina Clark (Aschenputtel), Jana Stelley (Froschprinzessin) und Marie-Helen Joël (Schneewittchen); Foto: Saad Hamza

Kinder dürften sicher ihre Freude daran haben, die bekannten Märchenfiguren auf der Bühne neu zu entdecken, viele Anspielungen und Anleihen zielen dagegen eher auf das erwachsene Publikum, das damit ebenfalls eine vergnügliche Theatervorstellung geboten bekommt, die vom Anfang bis zum Ende einfach Spaß macht. Obendrein großartig besetzt sorgen Christina Clark und Marie-Helen Joël aus dem Musiktheater-Ensemble des Aalto-Theaters sowie Jana Stelley (Wednesday Addams in „The Addams Family – Das Broadway Musical“, Zeltpalast Merzig, Premiere 22. August 2014), Tim David Hüning („Marry Me a Little“, Theater Drachengasse, Premiere 28. September 2015), Henrik Wager („Kennst du den Mythos…?“) und Frank Winkels („Pop-Oratorium Luther – Das Projekt der tausend Stimmen“) als Gäste mit ausgelassener Spielfreude mühelos für unbeschwerten Musiktheatergenuss. Beata Kornatovska versetzt die Zuschauer mit ihrer märchenhaften Ausstattung mitten in den Wald und das „Kurhotel Grimm“, jederzeit unterstützt durch ein ansprechendes Lichtdesign. Musikalisch kann man „Yesterday“ (Paul McCartney) von Marie-Helen Joël, „True Colors“ (Billy Steinberg und Tom Kelly) von Jana Stelley und „Over the Rainbow“ (Harold Arlen, Edgar „Yip“ Harburg) von Christina Clark als Terzett, das energische „Ich brauch’ ’nen Helden“ von Jana Stelley, „Without You“ von Henrik Wager, Tim David Hüning und Jana Stelley und schließlich „I Believe I Can Fly“ sowie „Go the Distance“ (von Alan Menken und David Zippel aus dem Disney-Kinofilm „Hercules“) von Henrik Wager sicherlich zu den Höhepunkten der Vorstellung zählen. Das United Rock Orchestra unter der Musikalischen Leitung von Heribert Feckler sorgt für die rockig, druckvolle Begleitung.

„I Believe I Can Fly“: Henrik Wager (Kaiser ohne Kleider), Ensemble; Foto: Saad Hamza

Nach gut zweistündiger Premiere gab es begeisterten, langanhaltenden Applaus für Darsteller und Kreative. „Die Märchenwelt zur Kur bestellt“ wird in acht Vorstellungen bis 8. Januar 2016 gezeigt, die nächsten Termine sind am 22. Dezember 2015 um 18 Uhr sowie am 27. Dezember 2015 um 15 und 18 Uhr. Am 3. Januar 2016 werden auch Vorstellungen um 11 und 14 Uhr angeboten.

Tim David Hüning (Das tapfere Schneiderlein), Marie-Helen Joël (Schneewittchen), Christina Clark (Aschenputtel), Frank Winkels (Rumpelstilzchen), Jana Stelley (Froschprinzessin) und Henrik Wager (Kaiser ohne Kleider); Foto: Saad Hamza

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