Richtfest zum geplanten Römerpark Aliso in Haltern am See

Der Rohbau der originalgetreuen Rekonstruktion der Lagerbefestigung ist fertiggestellt

Rekonstruktion der Lagerbefestigung mit Westtor und daran anschließender Holz-Erde-Mauer

Denkt man an römische Städte nördlich der Alpen, so fallen einem irgendwann – ist ja schließlich schon ein paar tausend Jahre her – Claudia Ara Agrippinensium (das heutige Köln), Augusta Treverorum (Trier) und Colonia Ulpia Traiana ein, eine römische Stadt in unmittelbarer Nähe des heutigen Xanten. Anders als in Köln oder Trier blieben in Xanten die römischen Strukturen erhalten, einzelne Bauten der einstigen Stadt wurden im Rahmen des Archäologischen Parks Xanten rekonstruiert. Entlang der Lippe zogen die Römer von Westen her immer tiefer ins westfälische Hinterland vor und legten u. a. in Haltern am See ein Militärlager an. Im Jahr 9 nach Christus scheiterte das Vorhaben, Germanien zu einer römischen Provinz zu machen, mit der Varusschlacht. Auf dem heutigen Stadtgebiet in Haltern am See gab es mehrere teils befestigte Lager und Kastelle sowie einen Hafen an der Lippe, auf dem Gelände am Silverberg gab es zur Zeit des Kaisers Augustus nacheinander mehrere Truppenlager. Es gibt Vermutungen, dass es sich bei dem Hauptlager um das legendäre Kastell Aliso handelt, das von den Römern erfolgreich verteidigt worden ist.

Rekonstruktion der Lagerbefestigung, Holz-Erde-Mauer

Die ersten Ideen für das in Westfalen einmalige Projekt des archäologischen Römerparks Aliso reichen bis in das Ende der 1980er-Jahre zurück. Nun wird er unmittelbar hinter dem LWL-Römermuseum Haltern Realität. Den Beschluss für die Realisierung fasste die LWL-Landschaftsversammlung 2007. Es mussten Flächen erworben, Konzepte entworfen und Ausgrabungen als wissenschaftliche Basis durchgeführt werden. So fanden seit dem ersten Spatenstich im April 2012 zunächst sieben Grabungskampagnen über insgesamt 87 Wochen hinweg statt. Die Archäologen bewegten etwa 6.000 m³ Boden auf einer Fläche von 10.000 m². Dabei kamen auch Überraschungen zum Vorschein: Ein Gebäude südlich des Tores, das als Wachgebäude gedeutet wird, und eine Anlage von hölzernen Wasserbecken in einem Bauwerk, dessen Funktion noch nicht eindeutig geklärt ist.

Rekonstruktion der Lagerbefestigung, Detail der Holz-Erde-Mauer

So gab der Halterner Boden Schritt für Schritt Erkenntnisse darüber frei, wie Lagerumwehrung und Torgebäude einschließlich der vorgelagerten Spitzgräben ausgesehen haben könnten. Der niederländische Architekt und Bauforscher Dr. Kees Peterse übersetzte die archäologischen Erkenntnisse in eine Rekonstruktionsplanung. Seit Herbst 2014 laufen die konkreten Arbeiten: Die Baustelle wurde vorbereitet, im Frühjahr fertigten Sägebetrieb und Zimmerei die Bauteile aus Eichenholz an. Moderne Beton-Fundamente wurden gegossen, um dem ersten Bauwerk des zukünftigen Römerparks lange Haltbarkeit zu verleihen. „Insgesamt wurden hier seit März 175 m³ Holz, 30 m³ Bretter und Bohlen, 2.000 Holznägel und 14.000 geschmiedete Eisennägel verarbeitet – mit den Techniken, die auch die Römer verwendeten“, beschrieb LWL-Baudezernentin Judith Pirscher den Materialeinsatz. Das Bauwerk ist dort, wo die Türme aufragen, bis zu acht Metern hoch. Allein ein Torflügel wiegt 500 kg, die Pfosten wurden – wie schon bei den Römern – von Hand mit dem Beil bearbeitet.

Rekonstruktion der Lagerbefestigung, Westtor

Rekonstruktion der Lagerbefestigung mit Westtor und daran anschließender Holz-Erde-Mauer

Richtkranz am Westtor

Am heutigen Donnerstag feierte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe am Rohbau der Holz-Erde-Mauer und der Torbauten im geplanten Römerpark Aliso in Haltern am See Richtfest. Die Mauer ist auf den den Spuren der Lagerumwehrung entstanden, die jetzt rekonstruiert wird. Der neuzeitliche Nachbau basiert auf den archäologischen Erkenntnissen über die hier verwendeten römischen Baumaterialien und Bautechniken des ehemaligen Hauptlagers der römischen Legionäre. Wo sich das Heer für die Eroberung der Gebiete entlang der Lippe einquartierte, entsteht eine originalgetreue Rekonstruktion dieses Abschnitts der Lagerbefestigung. Die Baumaßnahme ist der Auftakt für den geplanten Römerpark Aliso.

Richtkranz am Westtor

Zimmerleute beim Richtspruch

Nach den traditionellen Gepflogenheiten der Zimmerleute und beteiligten Handwerker wurde Richtfest gefeiert: Nach dem Richtspruch der Zimmerleute nahmen LWL-Kulturdezernentin Dr. Barbara Rüchoff-Thale und LWL-Baudezernentin Judith Fischer den Zimmermannshammer in beide Hände und schlugen die letzten Nägel ein. „An historischer Stelle sollen Schritt für Schritt weitere Gebäude, die archäologisch ausgegraben und wissenschaftlich untersucht werden, originalgetreu neu entstehen“, schilderte Dr. Barbara Rüchoff-Thale.

Der Bauherr muss noch den letzten Nagel einschlagen

Rekonstruktion der Lagerbefestigung mit Westtor und daran anschließender Holz-Erde-Mauer

Rekonstruktion der Lagerbefestigung mit Westtor und daran anschließender Holz-Erde-Mauer

Rekonstruktion der Lagerbefestigung, Holz-Erde-Mauer

Rekonstruktion der Lagerbefestigung, Verbindungstechnik mit Holznägeln

Rekonstruktion der Lagerbefestigung mit Westtor und daran anschließender Holz-Erde-Mauer

Grabungsfeld vor dem Westtor

In den nächsten Wochen werden noch die Spitzgräben ausgegraben und befestigt. Hieran beteiligen sich auch Halterner Schüler, indem sie wie Archäologen die Erde nach Überresten aus der römischen Zeit mit dem Sieb durchsuchen. Damit auch Menschen mit Behinderung den Ausblick von der Lagerumwehrung hinab zur Lippe genießen können, wird Richtung Norden eine 60 Meter lange Rampe aus dem gleichen Material an den Rekonstruktionsbau angefügt. Weitere Arbeiten wie die Herrichtung der Freianlagen, Fußwege, Zäune und Beleuchtung sollen bis Oktober fertiggestellt sein. Geplant ist die offizielle Eröffnung von Holz-Erde-Mauer und Torbau für den Spätsommer.

Grabungsfeld vor dem Westtor

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