LVR-Industriemuseum Kraftwerk Ermen & Engels

Unter Strom – Wasserkraft aus der Steckdose

Baumwollspinnerei Ermen & Engels, Zwirnereigebäude

Auf den ersten Blick scheint es, als ob die Zeit stehen geblieben wäre: Die massigen Grauwacke-Gebäude des ehemaligen Kraftwerks Ermen & Engels in Engelskirchen im Bergischen Land säumen noch immer den früheren Fabrikhof. Auch der Schornstein des Dampfmaschinenhauses existiert noch. Und über die Eisenbahnschienen, die vom nahe gelegenen Bahnhof auf den Platz führen, könnte bald ein Güterzug mit einer Lieferung Baumwolle beim alten Baumwoll-Lager vorfahren. Doch hier ist schon lange kein Faden mehr gesponnen worden. Heute steht das gesamte Gelände der alten Baumwollspinnerei und des Wasser­kraft­werks Ermen & Engels unter Denkmalschutz. Das LVR-Industrie­museum hat im früheren Zwirnereigebäude ein Ausstellunghaus mit Denkmalpfad eingerichtet.

Baumwollspinnerei Ermen & Engels, Zwirnereigebäude

Friedrich Engels sen. (* 12. Mai 1796 in Barmen, † 20. März 1860 in Barmen), Vater des berühmten Sozialisten Friedrich Engels (* 28. November 1820 in Barmen, † 5. August 1895 in London), gründete 1837 in Engelskirchen die Textilfabrik Ermen & Engels. Die Fabrik zählte mit über 600 Arbeitskräften im letzten Viertel des 19. Jahrhunderts zu den bedeutendsten Schrittmachern der Industrialisierung im Aggertal. Mit Wasserkraft wurden Wasserräder angetrieben, die über Transmissionen für den Antrieb der Maschinen sorgten. Ab 1854 kamen Turbinen hinzu, um 1900 wurden stromerzeugende Generatoren eingeführt, die den Antrieb über Transmissionen ersetzten. Gleichzeitig entwickelte sich das fabrikeigene Kraftwerk zu einer wichtigen Energiezentrale für die Region.

Baumwollspinnerei Ermen & Engels, altes Baumwoll-Lager

Baumwollspinnerei Ermen & Engels, altes Baumwoll-Lager

Baumwollspinnerei Ermen & Engels, zum Rathaus umgebaute Spinnerei und altes Baumwoll-Lager


Wasser als treibende Kraft

Im Mittelpunkt der Dauerpräsentation des Denkmalpfads steht das weitgehend erhaltene Wasserkraftwerk der Baumwollspinnerei Ermen & Engels. Beim Abstieg in den Turbinenkeller empfangen geheimnisvolles blaues Licht und Geräusche von fließendem Wasser die Gäste und vermitteln den Eindruck, als ob die Gänge mit den mächtigen Wänden noch heute von Wasser durchflossen wären. Sobald sich die Augen an das Dunkel gewöhnt haben, werden die riesigen Turbinen sichtbar, die über ein kompliziertes Transmissionssystem aus vielen Rädern und Rädchen die Maschinen in der Fabrik antrieben. Seit Beginn des 20. Jahrhunderts waren die Turbinen mit Generatoren gekoppelt, die den Strom für die nun elektrisch betriebenen Maschinen erzeugten.

Turbinen-Keller

Francis-Turbine

Das Schwungrad überträgt die Drehbewegung der Turbine auf den Generator


Strom für Arbeit und Alltag

In den Stockwerken über dem Turbinenkeller zeigt die große Schalttafel, wie der Strom in der Fabrik verteilt wurde. Schon 1903 profitierten auch das Wohnhaus des Fabrikanten und der Ort Engelskirchen von der lokalen Stromerzeugung. Dank des Kraftwerks in der Fabrik leuchteten hier eher als in mancher Großstadt die elektrischen Straßenlaternen. Die eindrucksvolle Dampfmaschine am Eingang zur Museumsetage erinnert schließlich daran, dass nicht immer ausreichend Wasserkraft zur Verfügung stand, um die Maschinen anzutreiben. Schon früh wurde daher die Dampfkraft als ergänzende Energie genutzt.

Schalttafel

Schalttafel

Dampfmaschine


Die alte Fabrik wird lebendig

Von ihrer Gründung im Jahre 1837 bis zu ihrem Ende 1979 dominierte die Baumwollspinnerei Ermen & Engels Arbeit und Leben in der Region um Engelskirchen. Nach ihrer Stilllegung sollte die alte Fabrik abgerissen werden und modernen Gebäuden Platz machen. Doch dank eines preisgekrönten Umnutzungskonzepts konnte die industriegeschichtlich bedeutende Anlage erhalten werden. Nach den 1986 mit dem Deutschen Städtebaupreis (Walter Hesselbach Preis) ausgezeichneten Plänen des Architekturbüros BauCoop Köln (Arthur Mandler, Wolfgang Felder) wurden Spinnerei, Zwirnerei und Baumwoll-Lager von 1983 bis 1986 umgebaut. Seit 1987 ist in der Spinnerei das LVR-Industriemuseum ansässig, das auch das gesamte erhaltene Umfeld der ehemaligen Baumwollspinnerei mit Unternehmervilla, Fabrikgebäuden und den Anlagen zur Wasserkraftnutzung des Flüsschens Agger für die Gäste erschlossen hat. In der Zwirnerei befindet sich seither das Rathaus, und die Unternehmervilla wird von der Verwaltung des Bergischen Abfallwirtschaftsverbandes genutzt.

Flachring-Dynamomaschine (früher Gleichstromgenerator), Schuckert & Co., Nürnberg, 1895

Regler Nord, automatischer hydraulischer Regler mit gesonderter Zahnradpumpe, J. M. Voith, Heidenheim, 1909

Schwungrad der Turbine Nord, Hansen und Co., Gotha, 1907

Generator


Ausstellungen und Veranstaltungen (von April bis Oktober)

Auf rund 500 Quadratmetern sind im früheren Zwirnereigebäude zwischen April und Oktober große Ausstellungen zu industrie- und kulturgeschichtlichen Themen zu sehen, vom 9. April bis 26. Oktober 2015 wird die Ausstellung „Dessous – 150 Jahre Kulturgeschichte der Unterwäsche“ gezeigt. Ein umfangreiches museums­pädagogisches Programm mit attraktiven Aktivitäten für Freizeit und Bildung ergänzen die Angebote des Museums. Gruppenführungen können für alle Altersstufen und zu verschiedenen Themenbereichen gebucht werden. Jeden 4. Sonntag im Monat finden öffentliche Führungen durch das Kraftwerk statt. Bei der FamilienForscherTour, die an jedem 3. Sonntag im Monat angeboten wird, gehen Eltern und Kinder auf Entdeckungstour. Ein Veranstaltungshighlight bildet das jährlich am ersten Sonntag im Oktober stattfindende Transport- und Oldtimerfest.

Baumwollspinnerei Ermen & Engels, Unternehmervilla

Baumwollspinnerei Ermen & Engels, Unternehmervilla

Die Dauerausstellung im Kraftwerk Ermen & Engels ist von April bis Oktober dienstags bis freitags von 10 bis 17 Uhr und samstags und sonntags von 11 bis 18 Uhr geöffnet. Der Eintrittspreis beträgt 3 Euro, ermäßigt 2,50 Euro, Kinder und Jugendliche bis 18 Jahre haben freien Eintritt. Das LVR-Industrie­museum Kraftwerk Ermen & Engels ist „Eintritt frei“-Partner der RUHR.TOPCARD 2015 und bietet den Inhabern der Erlebniskarte für das Ruhrgebiet einmalig freien Eintritt in die Dauerausstellung.

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