Die Spielzeit 2015/2016 am Theater Bielefeld

Musiktheaterproduktionen für das „musicalaffine“ Publikum

Heute hat das Theater Bielefeld sein Programm für die kommende Spielzeit 2015/2016 vorgestellt, das unter dem Motto „Wir sind Viele“ steht. Für das „musicalaffine“ Publikum stehen wiederum zwei neue Musical-Produktionen und eine Wiederaufnahme auf dem Spielplan, die im folgenden chronologisch aufgeführt sind.


„Cyrano“ (Premiere: 6. September 2015, Stadttheater)

„Cyrano“ – basierend auf dem romantisch-komödiantischen Versdrama „Cyrano de Bergerac“ von Edmond Rostand; Musik: Ad van Dijk; Buch und Liedtexte: Koen van Dijk; Deutsche Fassung: Curt Werner; mit Dialogtexten aus dem Originalschauspiel in der deutschen Übersetzung von Ludwig Fulda. Inszenierung: Thomas Winter; Choreografie: Jochen Schmidtke; Ausstattung: Ulv Jakobsen; Dramaturgie: Larissa Wieczorek; Musikalische Leitung: William Ward Murta. Darsteller: Veit Schäfermeier (Cyrano de Bergerac), Lucy Scherer (Roxane), Fabio Diso (Christian de Neuvillette), Alexander Franzen (General de Guiche), John Wesley Zielmann (Le Bret), Carlos H. Rivas (Raguenau), Jean-Loup Fourure (Vicomte Valvert), Vladimir Lortkipanidze (Montfleury), Christin Enke-Mollnar (Chaperonne), Lutz Laible (Kapitän Carbon de Castel-Jaloux), Stefan Fietzek (1. Kadett), Marvin Meinold (2. Kadett/Page) u. a. Uraufführung: 17. September 1992, Stadsshouwburg, Amsterdam. Broadway-Premiere: 21. November 1993, Neil Simon Theatre, New York City. Deutsche Erstaufführung: 1999, Freilichtspiele Schwäbisch Hall. Premiere: 6. September 2015, Stadttheater Bielefeld.

Cyrano de Bergerac ist nicht nur Mitglied der Gascogner Kadetten und ein hervorragender Fechter, sondern auch ein grandioser Dichter. Er leidet jedoch wegen seiner großen Nase unter Komplexen und verheimlicht aus Sorge, er könne wegen dieses Makels abgewiesen werden, seine wahren Gefühle für die schöne Roxane. Diese gesteht ihm, sich in den jungen, gut aussehenden Christian de Neuvillette verliebt zu haben. Weil dieser sich nicht dazu in der Lage sieht, poetische Liebesschwüre von sich zu geben, bittet er Cyrano nichts ahnend um Hilfe. So leiht der Poet dem Nebenbuhler sein dichterisches Talent und schreibt an dessen Stelle Liebesgedichte für die Angebetete.

General de Guiche, der selbst Roxane zu seiner Geliebten machen will, schickt die Gascogner Kadetten samt Cyrano und Christian aus Rachsucht an die Front nach Spanien. Dort setzen die beiden ihr Leben aufs Spiel, bis mit Roxanes plötzlichem Auftauchen – kurz vor der alles entscheidenden Schlacht – auch die ungewöhnliche Dreiecksbeziehung ins Wanken gerät…

Schon in Edmond Rostands romantisch-komödiantischem Versdrama „Cyrano de Bergerac“ aus dem Jahr 1897 verbanden sich das Musketier-Sujet und das Thema der Überwindung von Komplexen als notwendige Zutat für die große Liebe zu einer aktionsgeladenen und zugleich berührenden Geschichte voll Esprit und Poesie. In der Musicalfassung der holländischen Autoren Koen und Ad van Dijk aus dem Jahr 1992 gelangte diese Geschichte mit Musik im Stil von Claude-Michel Schönbergs „Les Misérables“ und Anklängen an Andrew Lloyd Webbers „Phantom der Oper“ erfolgreich an den Broadway. Nun erobert dieses Musical über vermeintliche Helden und große Poeten, ihre Komplexe und Versagensängste die Bielefelder Stadttheaterbühne.


„Sunset Boulevard“ (Wiederaufnahme: 27. September 2015, Stadttheater)

„Sunset Boulevard“ – basierend auf dem gleichnamigen Billy Wilder-Film von 1950; Musik: Andrew Lloyd Webber; Lyrics und Buch: Don Black, Christopher Hampton; Buch: Ken Ludwig; Deutsche Bearbeitung: Michael Kunze; Regie: Thomas Winter; Choreografie: Thomas Klotz; Ausstattung: Ulv Jakobsen; Musikalischer Leiter: William Ward Murta. Darsteller: Brigitte Oelke (Norma Desmond), Veit Schäfermeier (Joe Gillis), Tom Zahner (Max von Mayerling), Ulrike Figgener (Betty Schaefer), Benjamin Armbruster (Cecil B. DeMille), Jonas Hein (Artie Green), Bernard Niemeyer (Sheldrake), Carlos H. Rivas (Manfred), Fabian Kaiser (Myron), Michaela Duhme (Mary/Ärztin), Natascha C. Hill (Heather/Astrologin/Johanna) u. a. Uraufführung: 12. Juli 1993, Adelphi Theatre, London. Deutschsprachige Erstaufführung: 8. Dezember 1995, Rhein-Main-Theater, Niedernhausen. Premiere: 20. März 2015, Wiederaufnahme: 27. September 2015, Stadttheater Bielefeld.

„Sunset Boulevard“ ist ein amerikanisches Filmdrama von Billy Wilder aus dem Jahr 1950, das die Geschichte der fatalen Begegnung zwischen der alternden Stummfilmdiva Norma Desmond und dem jungen Drehbuchautor Joe Gillis erzählt, der auf der Flucht vor Geldeintreibern zufällig in Normas Villa am Sunset Blvd. landet. Gloria Swanson und William Holden verkörperten die Rollen von Norma Desmond und Joe Gillis, Swansons Karriere weist starke Ähnlichkeit zu der der Filmfigur Norma Desmond auf. Norma Desmond engagiert Joe Gillis als Ghostwriter für ihr Skript zu „Salome“, das ihr zu einem Comeback im Tonfilm verhelfen soll. Joe willigt nach anfänglichen Bedenken ein und läßt sich bald auch von Norma aushalten, er ersetzt quasi den Schimpansen, den er bei seiner Ankunft beerdigen sollte. Von der eigens von Norma nur für sich und Joe inszenierten Sylvesterparty flüchtet er zu seinen Freunden und der jungen Autorin Betty Schaefer, um abermals zu Norma zurückzukehren, als er von ihrem Selbstmordversuch erfährt. Die Vorkommnisse spitzen sich zu, als Norma Desmond von Joes Sympathie zu Betty Schaefer erfährt und ihn bei ihr als Gigolo denunziert. Als Joe Norma verlassen will, erschießt ihn die völlig konfuse Filmdiva, um sich schließlich, als Reporter eintreffen und ihre Kameras aufstellen, um über den Vorfall zu berichten, in Dreharbeiten zu Salome zu wähnen. „Sunset Boulevard“ ist gleichzeitig eine sarkastische Parodie auf die Traumfabrik Hollywood, was besonders in der absurden Schlussszene deutlich wird. Andrew Lloyd Webber rekonstruierte den Film beinahe akribisch, Joes sarkastische Abrechnung mit der verlogenen Traumwelt Hollywoods ist als Titelsong der Höhepunkt des Musicals.


„A Little Night Music (Das Lächeln einer Sommernacht)“ (Premiere: 21. Mai 2016, Stadttheater)

„A Little Night Music (Das Lächeln einer Sommernacht)“ – nach dem Spielfilm „Sommarnattens leende“ (1955) von Ingmar Bergmann; Musik und Liedtexte: Stephen Sondheim; Buch: Hugh Wheeler; Deutsche Fassung: Eckart Hachfeld. Inszenierung: Kay Link; Choreografie: Amy Share-Kissiov; Ausstattung: Cornelia Brey; Dramaturgie: Daniel Westen; Musikalische Leitung: William Ward Murta. Darsteller: Alexander Franzen (Frederik Egermann, Rechtsanwalt), Johanna Spantzel (Anne, seine zweite Frau), Tom Schimon (Henrik, Theologiestudent, sein Sohn aus erster Ehe), Monika Mayer (Madame Leonora Armfeldt, eine alte Kurtisane), Melanie Kreuter (Désirée Armfeldt, ihre Tochter, Schauspielerin und Frederiks langjährige Lebensgefährtin), Julia Meier (Frederika Armfeldt, Désirées Tochter), Tobias Licht (Graf Carl-Magnus Malcolm, Offizier), Katharina Solzbacher (Gräfin Charlotte Malcolm, seine Frau), Navina Heyne (Petra, Dienstmädchen), Marius Bechen (Frid, Butler bei Madame Armfeldt); Quintett: Frank Bahrenberg (Mr. Lindquist), Katharina Schutza (Mrs. Nordstrom), Engjellushe Duka (Mrs. Anderssen), Carlos H. Rivas (Mr. Erlanson), Patricia Margagliotta (Mrs. Segstrom). Uraufführung: 25. Februar 1973, Shubert Theatre, New York City. Deutschsprachige Erstaufführung: 14. Februar 1975, Theater an der Wien, Wien. Premiere: 21. Mai 2016, Stadttheater Bielefeld.

„Ist es kein Scherz?
Ein Paar wie wir?
Mich jagt das Schicksal herum,
Dich hält es hier.
Wo sind die Clowns?
Ruf doch die Clowns.“

1955 avancierte Ingmar Bergmans Film „Sommarnattens leende“ („Das Lächeln einer Sommernacht“) zu einem ungeahnten Erfolg, der dem schwedischen Regisseur schlagartig zu Weltruhm verhalf. Selbst im 21. Jahrhundert rangiert der Klassiker laut TIME magazine unter den Top 100 der besten Filme aller Zeiten.

Stephen Sondheim, der vielleicht progressivste und zugleich äußerst erfolgreiche Komponist des Musicalgenres, adaptierte 1973 den Stoff für seine Version der wirren wie komischen und zugleich packenden Amourösitäten. Vor dem Hintergrund der schwedischen Mittsommernacht, in der es bekanntlich nicht dunkel wird, beleuchtet Sondheim das Finden, (Wieder-)Entdecken und Trennen von Paaren, die sich in rasender Unruhe bei der „weisen“ Madame Armfeldt ausleben.

So komplex das Geschehen ist – Liebe und Begehren stellen sich bekanntlich allzu selten als einfache Vorgänge dar, so besonders und vielfältig erweist sich die musikalische Umsetzung: Von großen sängerischen Herausforderungen über vielschichtige rhythmische Strukturen bis hin zu fast altmodisch wirkenden kontrapunktischen Anlagen reicht das Spektrum der Komposition, die jene Gratwanderungen der Gefühlswelten der Protagonisten fabelhaft reflektiert. Und spätestens beim größten Hit dieser Sommernacht – „Send in the Clowns“ – bleibt garantiert kein Auge mehr trocken.

Ein unterhaltsames Werk, das zuweilen aber auch mit emotionaler Melodramatik nicht spart – extravagant, tiefgründig, unkonventionell. Über 20 internationale Preise und begehrte Trophäen konnten Stephen Sondheim und Hugh Wheeler für ihr großartiges Musical einsammeln.

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