„Der schöne Schein“ im Gasometer Oberhausen

Ausstellung zur Vielfalt der Schönheit in der Kunst

Der Louvre in Paris, die Berliner Nationalgalerie, das Museum of Modern Art in New York, die Londoner Tate Gallery, die Uffizien in Florenz – die großen Museen der Kunstwelt sind 2014 mit großen Meisterwerken aus ihren Beständen im Gasometer Oberhauen zu Gast. Auf der Suche nach den vielfältigen Erscheinungsformen der Schönheit zeigt die Ausstellung „Der schöne Schein“ mehr als 150 ausgewählte Bilder und Skulpturen der vergangenen Epochen in großformatigen Fotografien und Abgüssen. Sie eröffnet den Besuchern ein Kaleidoskop der Schönheit und nimmt sie mit auf eine faszinierende Reise durch Kulturen und Zeitalter der Menschheit – von der Antike bis Picasso.

Gasometer Oberhausen

Schönheit kennt viele Gesichter. Jahrhundertelang spiegelten sie sich in den Bildern und Skulpturen ihrer Zeit. Sie zeigen: Schönheit kann harmonisch sein, strahlend, schlicht, elegant, kostbar, prachtvoll, aber auch heroisch, entfesselt, erschreckend, mitleiderregend, fantastisch, verträumt, verspielt oder verführerisch. „Reproduktionen vermögen nicht das Erlebnis der Originale zu ersetzen“, so Ausstellungskurator Prof. Peter Pachnicke. „Aber sie können die Kunstwerke in einem ‚imaginären Museum‘ miteinander vereinen, so dass wir die faszinierende Vielfalt der Schönheitsvorstellungen verschiedener Kulturen sinnlich erfahren und miteinander vergleichen können.“

Dieses „imaginäre Museum“ umfasst Bilder, die sich im Laufe der Kulturgeschichte in unser kollektives Bildgedächtnis eingeprägt haben. Die „Nofretete“, die „Venus von Milo“, Polyklets „Speerträger“, Leonardo da Vincis „Mona Lisa“, Hieronymus Boschs Triptychon „Garten der Lüste“, Sandro Botticellis „Geburt der Venus“, Katsushika Hokusais „Große Welle vor Kanagawa“, Caspar David Friedrichs „Mondaufgang“ und Vincent van Goghs „Sternennacht“: Sie alle sind heute Teil des kollektiven Bildgedächtnisses der Menschheit – und im Rahmen der Ausstellung „Der schöne Schein“ vereint im Gasometer Oberhausen zu sehen.

Gasometer Oberhausen, Installation unterhalb der Gasdruckscheibe

Andrea Pozzo, „Apotheose des Heiligen Ignatius“, 1691 – 1694, Deckenfresko, 36 × 17 m, Sant’Ignazio di Loyola in Campo Marzio, Rom


Reproduktion als Kulturtechnik

Während Kunstwerke häufig in chronologischer Reihenfolge oder getrennt nach den Künstlern gezeigt werden, finden sie sich in „Der schöne Schein“ thematisch gegliedert. Himmel und Erde, Mensch und Natur, Werden und Vergehen – die großen Themen unseres Daseins spiegeln sich in den insgesamt neun Abteilungen der Ausstellung: „Himmlische Sphären“, „Goldenes Zeitalter“, „Urteil des Paris“, „Verklärung des Todes“, „Gestalt des Menschen“, „Antlitz des Menschen“, „Schönheit des Schreckens“, „Ruinenlandschaften“ und „Erhabenheit der Natur“.

Außergewöhnlich ist nicht nur die Anordnung. „Der schöne Schein“ zeigt die Meisterwerke in monumentaler Gestalt. Die meisten Abbildungen werden – zum Teil deutlich – vergrößert wiedergegeben und bieten so ungewohnte Einblicke in Technik und Detailreichtum der Originale. In der Vergangenheit, vor der Entwicklung der Fotografie und der Massenmedien, haben Reproduktionen das kollektive Bildgedächtnis bestimmt. Sie ermöglichen unverändert neue und variierende Sichtweisen unabhängig von Epochen, Gattungen oder Kulturkreisen – wie die Ausstellung „Der schöne Schein“ eindrucksvoll beweist.

unbekannter Künstler, „Himmelsscheibe von Nebra“, 1600 v. Chr., Bronze und Goldblech, Durchmesser 32 cm, Halle, Landesmuseum für Vorgeschichte Sachsen-Anhalt; Foto: Landesamt für Denkmalpflege und Archäologie Sachsen-Anhalt, Juraj Lipták

Statue eines Satyr (so genannter Barberinischer Faun), 2. Hälfte des 3. Jahrhunderts v. Chr., Marmor, München, Glyptothek

Sandro Botticelli, „Die Geburt der Venus“, um 1485, Tempera auf Leinwand, Galleria degli Uffizi, Florenz
Statue der Aphrodite Braschi (Knidos Typus), freie Kopie des 1. Jahrhunderts n. Chr. nach dem Original um 350 – 340 v. Chr., Marmor, Rom, Vatikanisches Museum

Giorgione, „Schlummernde Venus“, 1508 – 1510, Öl auf Leinwand, Gemäldegalerie Alte Meister, Staatliche Kunstsamlungen, Dresden
Édouard Manet, „Olympia“, 1863, Öl auf Leinwand, Musée d´Orsay, Paris
Aphrodite von Capua, römische Kopie nach griechischem Original, um 330/320 v. Chr., Marmor, Neapel, Museo Archeologico Nazionale

Roelant Savery, „Das Paradies“, 1626, Öl auf Leinwand, Gemäldegalerie, Staatliche Museen zu Berlin
so genannter Kalbträger, 2. Viertel des 6. Jahrhunderts v. Chr., Marmor, Athen, Akropolismuseum

Statue eines sitzenden Mädchens, Kopie eines griechischen Originals aus der 2. Hälfte des 2. Jahrhunderts v. Chr., Marmor, Rom, Konservatorenpalast

einer der Köpfe der zwei Dioskuren von Monte Cavallo, 1. Hälfte des 4. Jahrhunderts n. Chr. nach griechischen Originalen, Marmor, Rom, Piazza del Quirinale

Sterbender Gallier, spätes 3. Jahrhundert v. Chr., Marmor, Rom, Kapitolinische Museen

Leonardo da Vinci, „Mona Lisa“, um 1530, Öl auf Holz, 77 × 53 cm, Musée du Louvre, Paris; Foto: bpk/RMN – Grand Palais/Michel Urtado

Statue des Gottes Osiris, Ende 26. Dynastie, um 530 v. Chr., Grüner Schiefer, Kairo, Ägyptisches Museum

Buddha Dharmachakra-mudra, 2. Jahrhundert n. Chr., Schiefer, Berlin, Museum für Asiatische Kunst

Auguste Rodin, „Der Denker“, 1880, Bronze, Berlin, Alte Nationalgalerie

Tilman Riemenschneider, „Evangelist Johannes“, 1490 – 1492, Lindenholz, Berlin, Bode-Museum

Archivolte mit Rankenwerk und Mischwesen, Anfang 13. Jahrhundert, Sandstein, Paris, Notre-Dame, nördliches Westportal


Realität und virtueller Raum – die Installation „320° Licht“

Künstlerischer Höhepunkt der Ausstellung ist die Installation „320° Licht“ der 2005 gegründeten Bremer Künstlergruppe URBANSCREEN. Sie nimmt die kathedralenartige Schönheit des Gasometers zum Ausgangspunkt für ein faszinierendes Spiel mit Formen und Licht. In einem Radius von 320 Grad wachsen und verändern sich auf der 100 Meter hohen Innenwand des Gasometers grafische Muster. Der Betrachter erlebt ein rund 20-minütiges, ständig fortlaufendes Wechselspiel zwischen realem und virtuellem Raum, bei dem sich der Gasometer in seine Strukturen aufzulösen scheint und schließlich doch immer wieder zu seiner klaren Form zurückfindet. „320° Licht“ wird mit 23 Hochleistungsprojektoren realisiert. Mit fast 20.000 m² bespielter Fläche gehört die Installation zu den größten und technisch anspruchsvollsten Innenraum­projektionen weltweit.

Lichtinstallation „320° Licht“ von URBANSCREEN im Gasometer Oberhausen

Punkte, Linien und Flächen zeichnen die elementaren Bestandteile der umgebenden Architektur nach. Von der Eindimensionalität hin zur Dreidimensionalität entwickelt sich innerhalb der Inszenierung ein imaginärer Raum. „Diese Schwerpunktsetzung bedeutet für uns einen konsequenten Verzicht auf konkrete Bildelemente, die in ihrer unauflöslichen Zeichenhaftigkeit immer auch auf externe Inhalte verweisen“, so die international gefragte Künstlergruppe. Die grafischen Grundelemente tauchen überwiegend als weißer Vollton auf und offenbaren ihre zweite Funktion, wenn im ausgeleuchteten Quadrat auch die charakteristische schwarzbraune Oberfläche des Innenraums erkennbar wird.

Lichtinstallation „320° Licht“ von URBANSCREEN im Gasometer Oberhausen

Über sieben Kanäle eingespeiste Klänge ergänzen die raumprägende Wirkung der Installation. Die Komposition baut auf dem gegebenen Raumklang und seinem natürlichen Widerhall auf und bildet so eine organische Einheit mit der visuellen Ebene der Arbeit. „Dabei geht es nicht im konventionellen Sinne um eine akustische Beschallung – vielmehr begreifen wir den Gasometer als eigenständigen Klangkörper, den es wie ein Instrument zu ‚spielen‘ gilt. Jeder Ton ist von der Beschaffenheit des Ortes gefärbt und somit seinem ursprünglichen Klang entfremdet“.

Lichtinstallation „320° Licht“ von URBANSCREEN im Gasometer Oberhausen

URBANSCREEN wurde international bekannt durch die spektakulären Illuminationen „Lighting the sails“ des Opernhauses in Sydney, Australien im Rahmen des Festivals „Vivid Sydney 2012“ (Mai 2012), „Centennial Spectacle“ zum 100-jährigen Jubiläum an der William Marsh Rice University in Houston, Texas, USA (Oktober 2012), und die Light-Sound-Kompositionen „555 KUBIK“ auf der Kunsthalle Hamburg (Juli 2009), „Kreisrot“ an der Bauhaus Prellerhausfassade in Dessau (September 2009) und „MQ10“, 10 Jahre MuseumsQuartier Wien (Juli 2011).

Frühere Arbeiten von URBANSCREEN: „Centennial Spectacle“, „555 KUBIK“, „Kreisrot“ und „MQ10“; © URBANSCREEN

Lichtinstallation „320° Licht“ von URBANSCREEN im Gasometer Oberhausen

Lichtinstallation „320° Licht“ von URBANSCREEN im Gasometer Oberhausen

Lichtinstallation „320° Licht“ von URBANSCREEN im Gasometer Oberhausen

Lichtinstallation „320° Licht“ von URBANSCREEN im Gasometer Oberhausen


20 Jahre höchste Ausstellungshalle Europas

„320° Licht“ spielt mit dem Raum, schafft Illusionen und zerstört sie wieder. Die Installation betont die monumentale Größe, die Form und die Materialität des Raumes – und ist somit auch eine Hommage an die Schönheit des Gasometers.

Diese Schönheit des Innenraums offenbarte sich erst, als der Gasometer in eine Ausstellungshalle umgebaut wurde. Vor 20 Jahren, am 22. Juli 1994, wurde die erste Ausstellung „Feuer und Flamme“ eröffnet. Damals war nicht absehbar, welche Erfolgsgeschichte der Gasometer als Ausstellungshalle schreiben würde. „Neben den hochwertigen kulturwissenschaftlichen und Kunstausstellungen ist es sicherlich die Schönheit des Raumes, die bis heute weit mehr als fünf Millionen Besucher begeistert hat. So hätte es im Jubiläumsjahr kaum ein passenderes Ausstellungsthema als ‚Der schöne Schein‘ geben können.“ sagt Jeanette Schmitz, Geschäftsführerin der Gasometer Oberhausen GmbH.

Der Gasometer Oberhausen, 117,5 Meter hoch, wurde vor 85 Jahren, am 15. Mai 1929, in Betrieb genommen und ist heute Wahrzeichen der Stadt, beeindruckendes Dokument der Bau- und Technikgeschichte und spektakulärer Veranstaltungsort. Seit 1994 ist er ein kaum mehr wegzudenkender Bestandteil der Kulturlandschaft in Nordrhein-Westfalen. Mit bisher dreizehn auch international erfolgreichen Ausstellungen steht der Gasometer Oberhausen stellvertretend für den lebendigen Wandel der Region. Hinzu kommen zahlreiche Theater­auf­führungen und Konzerte, Lesungen und Vorträge, in denen der einstige Gasspeicher das einzigartige Raumerlebnis in seinem Inneren auf unterschiedliche Weise unter Beweis gestellt hat. Vom Dach dieser „Kathedrale der Industrie“, zu erreichen über den gläsernen Panoramaaufzug, bietet sich der Ausblick über das gesamte westliche Ruhrgebiet.

Zur Ausstellung ist ein umfangreicher und reich bebilderter Katalog im Essener Klartext Verlag zum Preis von 19,95 Euro erschienen, der 118 der Fotografien und Abgüsse der Ausstellung abbildet. Ein weiteres Kapitel des Katalogs widmet sich dem multimedialen Raumerlebnis „320° Licht“ und der Künstlergruppe URBANSCREEN.

Die Ausstellung „Der schöne Schein“ ist vom 11. April bis 30. Dezember 2014 dienstags bis sonntags von 10 bis 18 Uhr geöffnet, während der Schulferien in Nordrhein-Westfalen auch montags.

Kommentare

Anonym hat gesagt…
Hmmm ... bei der Installation schön auf die FatBoys legen und sich das Ganze gemütlich anschauen ... herrlich :)