Colosseum Theater: „We Will Rock You“

„We Will Rock You“ – Musik: Queen; Lyrics: Queen, Ben Elton; Buch, Inszenierung: Ben Elton; Deutsche Dialoge: Jörn Ingwersen; Deutsche Songtexte: Wolfgang Adenberg; Choreografie, Musical Staging: Arlene Philips; Bühne: Mark Fisher; Kostüme: Tim Goodchild; Licht: Willie Williams; Videoanimation: Mark Fisher, Willie Williams; Sound Design: Bobby Aitken; Music Supervisors: Mike Dixon, Brian May, Roger Taylor; Musikalische Leitung: Jeff Frohner. Darsteller: Christopher Brose (Galileo Figaro), Tobias Bieri (Alternate Galileo Figaro), Alex Melcher (Walk-In Galileo Figaro), Jeannine Michele Wacker (Scaramouche), Jessica Kessler (Alternate Scaramouche), Vera Bolten (Walk-In Scaramouche), Brigitte Oelke (Killer Queen), Nicole Malangre (Alternate Killer Queen), Goele De Raedt (Walk-In Killer Queen), Martin Berger (Khashaggi), Sascha Th. G. Krebs (Walk-In Khashoggi/Brit/Dieter), Léon Van Leeuwenberg (Bap), Stefan Müller Ruppert (Walk-In Bap), Markus Neugebauer (Brit), Anna Lidman (Ozzy), Martin Werth (Dieter), Isabel Trinkaus (Lehrerin). Ensemble: Victor Bareto, Harrison Clark, Walesca Frank, Austin Garrett, Samantha Harris-Hughes, Nikolas Heiber, Jordan Laviniere, Sam Linscott, James-Paul McAllister, Marianna Neofitou, Leoni Kristin Oeffinger, Nathaniel Scott, Andrea Del Solar, Stuart Sumner, Marjolein Teepen, Lucy Wilkerson, Sarah Wilkie, Koco Zavaleta. Swings: Katie Allday, János Harót, Dan Keightley, Abbi Kennedy, Candy Marriott, Tom Nihill, Carl Richardson, Emily Tzivanidou. Band: Jeff Frohner, Kilian Haiber, Steve White (Keyboard), Jamie Humphries, Michel Santunione (Guitar), Robert Lindemann (Bass), Hannes Dullinger (Drums), Martin Hesselbach (Percussion). Uraufführung: 14. Mai 2002, Dominion Theatre, London. Deutschsprachige Erstaufführung: 12. Dezember 2004, Musical Dome, Köln. Premiere: 11. April 2013, Colosseum Theater, Essen.



„We Will Rock You“


Das Rock-Musical mit den legendären Queen-Hits erstmals in der Metropole Ruhr


Als nach „Buddy“ (Uraufführung 12. Oktober 1989, Victoria Palace Theatre, London) und „Mamma Mia!“ (Uraufführung 6. April 1999, Prince Edward Theatre, London) mit „We Will Rock You“ am 14. Mai 2002 im Londoner Dominion Theatre ein weiteres Jukebox-Musical uraufgeführt wurde, war man sich rasch einig, die britische Tageszeitung The Independent brachte die Kritik mit den Worten „… Ben Elton, the brain behind the book, claims to be a rock fan but he has done Queen a disservice with such a trite and tacky storyline…“ auf den Punkt. An der Qualität des Buches – um es an dieser Stelle vorwegzunehmen – hat sich bis heute nichts geändert. Ungeachtet dessen gehört das Musical mit über 3.600 Vorstellungen und über 6 Millionen Zuschauern im Dominion Theatre zu den erfolgreichsten West End-Musicals, und auch 4 Millionen Besucher bei den Aufführungen im deutschsprachigen Raum können sich sehen lassen. Weltweit wurde „We Will Rock You“ bisher in 29 Städten gezeigt und zählt über 13 Millionen Zuschauer. Neun Jahre nach der Deutschlandpremiere in Köln am 12. Dezember 2004 feierte das Musical mit den 21 größten Hits der Kultband Queen von „Bohemian Rhapsody“ über „Another One Bites The Dust“ und „We are the Champions“ bis „I Want to Break Free“ in seiner aktuellsten Überarbeitung am 11. April 2013 im Colosseum Theater Essen Premiere.

Léon van Leeuwenberg (Bap)

Martin Berger (Khashaggi) und Léon van Leeuwenberg (Bap)

Die Handlung von „We Will Rock You“ führt den Theaterbesucher in eine ferne Zukunft auf dem Planten iPad, früher e.bay, ehemals die Erde. Der wird von dem gigantischen Globalsoft-Konzern unter Leitung der Killer Queen totalitär regiert, Live-Musik existiert seit Jahrhunderten nicht mehr und ist strengstens verboten. Stattdessen hören geklonte Generation von Gaga-Kids synthetische, computergenerierte Musik. Doch im Untergrund lebt eine Gruppe unangepasster Bohemians, die gegen das Regime rebellieren und an die Freiheit der Musik glauben. Sie selbst können nichts ausrichten, daher warten sie auf einen Helden, der die einer Legende nach irgendwo auf dem Planet iPad noch versteckten Instrumente finden und die Welt von der computergenerierten Musik erlösen wird. Ist es vielleicht der junge Mann, der sich selbst Galileo nennt? Doch auch die Geheimpolizei mit ihrem Befehlshaber Khashoggi ist Galileo auf der Spur. Falls sie seiner zuerst habhaft werden, transferieren sie ihn wie die übrigen Bohemians in die Bar der Vergessenheit, der Seven Seas of Rhye…

Ensemble

Ensemble

Die Inszenierung von „We Will Rock You“ wird seit der Uraufführung von den Kreativen regelmäßig überarbeitet, angepasst und damit auf einen aktuellen Stand gebracht, gegenüber der Deutschlandpremiere im Jahr 2004 gibt es auch einige Änderungen in den Dialogen, so ist beispielsweise in der aktuellen Version Deutschland im Jahr 2014 Fußballweltmeister geworden, und aus dem Jürgen-Drews-Gedenkfelsen auf Mallorca ist der Katzenberger-Gedenkfelsen geworden, den es aber bereits 2010 bei den Aufführungen im Theater des Westens in Berlin gegeben hat. Gags wie jener von Befehlshaber Khashoggi, dass sein Anzug nicht von Armani stamme, sondern von KiK, dem Textil-Discounter, erscheinen mir allerdings schon fast ein wenig abgegriffen, hier muss jeder für sich selbst entscheiden, wo die persönliche Schmerzgrenze zu ziehen ist. Ein wenig plump fällt auch der regionale Bezug zur Metropole Ruhr mit dem Symbol Schlägel und Eisen aus, das Scaramouche auf ihrem Slip demonstrativ zur Schau stellt und das eine enge Beziehung zum Bergbau bekunden soll. In der Metropole Ruhr gibt es allerdings nur noch zwei aktive Steinkohlen-Bergwerke, das Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop und das Bergwerk Auguste Viktoria in Marl. Das Bergwerk West in Kamp-Lintfort wurde zum Jahresende 2012 stillgelegt, die Montanindustrie zählt im Ruhrgebiet zu den aussterbenden Industriezweigen. Doch im Großen und Ganzen hat sich das Publikum längst mit diesen „Begleitumständen“ arrangiert, niemand erwartet allen Ernstes einen tiefsinnigen und intellektuell anspruchsvollen Plot, sondern möchte einfach die legendären Queen-Hits auf der Bühne erleben. Und diesbezüglich braucht in Essen auch niemand Abstriche zu machen, die international besetzte achtköpfige Band unter der Musikalischen Leitung von Jeff Frohner bringt die Songs von einer auf halber Höhe angeordneten Ebene präzise und wuchtig zu Gehör und sorgt für einen authentischen Sound. Auch die Abstimmung mit den Gesangsstimmen passt, es klingt in der Tat wunderbar, und wenn die Gitarristen für ihre Soli auf die Bühne kommen, so könnte man sich beinahe vorstellen, Brian May stünde persönlich dort.

Brigitte Oelke (Killer Queen) und Martin Berger (Khashaggi), Ensemble

Brigitte Oelke (Killer Queen)

Optisch ist die Show ebenfalls ein Hingucker, dafür sorgen nicht nur die technisch überarbeiteten Videoanimationen auf einer 2,60 × 10,40 Meter großen Videowand, die von Production Designer Mark Fisher in Zusammenarbeit mit Lighting Designer Willie Williams kreiert wurden, oder der Thron der Killer Queen, der über einen hydraulischen Lift bewegt werden kann, sondern auch die einfallsreichen Kostüme von Tim Goodchild mit Lack und Leder für die Killer Queen mit ihrer Gefolgschaft und phantasievollem Trash für die Bohemians, im ursprünglichen Sinne Künstler und Intellektuelle, die unter Missachtung aller gesellschaftlichen Konventionen leben.

Anna Lidman (Ozzy) und Markus Neugebauer (Brit)

Jeannine Michele Wacker (Scaramouche) und Christopher Brose (Galileo Figaro)

Das Ensemble mit 38 Darstellern aus 11 Nationen und einer gesunden Mischung aus altbekannten Künstlern, die bereits bei der Deutschlandpremiere in Köln auf der Bühne des Musical Dome standen, und neuen, unverbrauchten Gesichtern hat bereits in 91 Vorstellungen das Musical Theater Basel gerockt und schickt sich nun an, auch das Colosseum Theater in Essen für knapp drei Monate in den neuen „Olymp der Champions“ zu verwandeln. Mit Christopher Brose als eher verwegener, ein wenig zurückhaltender Galileo Figaro und Jeannine Michele Wacker als aufmüpfige Göre Scaramouche wurden zwei jüngere Darsteller für die Rollen der beiden eigenwilligen Jugendlichen gefunden, die den Figuren entsprechende Glaubwürdigkeit verleihen. Beide können mit beachtlicher Stimme für sich einnehmen, gegen Jeannine Wackers vorwitzige Bemerkungen kommt Christopher Brose als der eigentliche Held der Geschichte manches Mal kaum an. Brigitte Oelke ist ab Dezember 2004 bisher in allen deutschsprachigen Produktionen von „We Will Rock You“ in Köln, Zürich, Wien, Stuttgart, Berlin und Basel als Killer Queen aufgetreten und konnte so mit ihren Jugendidolen Brian May und Roger Taylor zusammenarbeiten. Sie ist zum Inbegriff der diabolischen Herrscherin geworden und heizt mit ihrer Rock-Röhre auch dem Publikum in Essen mächtig ein. Bei ihr hat der gebürtige Österreicher Martin Berger nicht sonderlich viel zu melden, der die Figur des Khashoggi als aalglatten Befehlshaber gibt. Als ihm auch noch die Festsetzung von Galileo und Scaramouche misslingt, platzt ihr irgendwann der Kragen: „Another One Bites the Dust“.

Jeannine Michele Wacker (Scaramouche) und Christopher Brose (Galileo Figaro)

Jeannine Michele Wacker (Scaramouche) und Christopher Brose (Galileo Figaro)

Die Schwedin Anna Lidman verkörperte die Figur der Ozzy (Osbourne) bereits in Stockholm und Oslo und verleiht der Rolle in den Dialogen mit leichtem Schwedischen Tonfall wahrscheinlich ungewollt sympathisches internationales Flair. Was ihre gesangliche Leistung beispielsweise bei „No-One but You (Only the Good Die Young)“ auch überhaupt nicht mindert und diesen Song zu einer bewegenden Ballade als Erinnerung an die zu früh verstorbenen Künstler wie Freddie Mercury oder neuerdings auch Amy Winehouse und Michael Jackson werden lässt. Der Österreicher Markus Neugebauer als ihr auf der Suche nach dem Erlöser von der computergenerierten Musik befindlicher Freund Brit(ney Spears) kann humorvoll für sich einnehmen, gesanglich überzeugend ist das gemeinsame Duett „I want it all“. Dem Holländer Léon van Leeuwenberg fällt als genügsamer Altrocker Bap (Niedecken) im zweiten Akt die Aufgabe zu, Galileo und Scaramouche in der Bar der Vergessenheit ziemlich viel zu erklären, um ihnen den Weg ins Finale zu bahnen, doch sein gefühlvoll interpretierter Song „These are the days of our lives“ entschädigt nicht nur, sondern lässt den etwas langatmigen, textlastigen Teil schnell wieder vergessen.

Christopher Brose (Galileo Figaro)

Jeannine Michele Wacker (Scaramouche)

Spätestens zum Finale mit dem Titelsong, „We are the Champions“ und als „Zugabe“ („Wollt Ihr die Bohemian Rhapsody? Na gut, wenn Ihr meint!“) den ersten Nummer-eins-Hit von Queen, „Bohemian Rhapsody“ ist jeder überzeugt, bei einem Rock-Konzert zu sein, mit schwenkenden Knicklichtern und minutenlangem Stehapplaus feiert das Premierenpublikum die Darsteller auf der Bühne. Is this the real life? Is this just fantasy? Wer mit Rockmusik nichts anfangen kann, ist hier zweifellos falsch, und all die anderen haben offensichtlich auch beinahe 11 Jahre nach der Uraufführung noch immer einen Heidenspaß an den legendären Songs von Queen.

Martin Werth (Dieter), Brigitte Oelke (Killer Queen), Léon van Leeuwenberg (Bap), Jeannine Michele Wacker (Scaramouche), Christopher Brose (Galileo Figaro) und Anna Lidman (Ozzy)

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