„Backstage“ im „LUKAS“

Das „Geheimkonzert“ im alten Bahnhof Kupferdreh

Der Königlich Preußische Bahnhof zu Kupferdreh wurde am 27. Juli 1898 an der Prinz-Wilhelm-Eisenbahn eröffnet. Heute fahren die Züge der S-Bahn Rhein-Ruhr ohne Halt an dem alten Gebäude vorbei, nur die historische Hespertalbahn beginnt hier am vorderen Bahnsteig ihre Fahrt. Das Gebäude wird heute unter dem Namen „LUKAS“ als „kulinarischer Bahnhof“ genutzt und gehört zur Route der Industriekultur, Themenroute 12 – Geschichte und Gegenwart der Ruhr.

Die Kneipe im „LUKAS“

Im alten Bahnhof Kupferdreh ist das Dekor der Wartesäle teilweise erhalten, was den Räumen ein besonderes Ambiente verleiht. Das Konzert fand in der Kneipe statt, die in der ehemaligen Vorhalle mit ihrem Eingang im Rundbogenstil untergebracht ist. Leider war der Thekenbetrieb währenddessen nicht gänzlich eingestellt, was zu störenden Nebengräuschen durch eine zischende Kaffeemaschine oder klappernde Gläser und Tassen führt.

Bei der „Backstage“-Konzertreihe treten bekannte, mitunter aber auch weniger bekannte Musicalkünstler im alten Bahnhof Kupferdreh auf. Da die Räumlichkeiten nur ein begrenztes Platzkontigent zulassen, ist jedes Konzert für etwa 100 Besucher ein exklusives Event. Bei dem „Geheimkonzert“ am 15. Februar 2011 waren die Künstler, die bei diesem Konzert auftreten, vom Veranstalter (Philippe Ducloux) vorher nicht bekanntgegeben worden, so dass es sich eigentlich mehr um ein „Überraschungskonzert“ handelte. An diesem Abend waren Philippe Ducloux („Starlight Express“ in Bochum, „Disney´s Die Schöne und das Biest“ in Oberhausen, ab April 2011 „Anything Goes“ am Theater Osnabrück), Sopranistin Migena Gjata (Absolventin der Folkwang Hochschule im Studiengang Gesang), Kristin Hölck („Les Misérables“ in Duisburg, „Joseph and the Amazing Technicolor Dreamcoat“ und „Elisabeth“ in Essen), Susanna Mucha (Absolventin der Folkwang Hochschule im Studiengang Musical, „Der kleine Horrorladen“ in Wuppertal in der Regie von Patrick Stanke, ab Juli 2011 „Eine Mittsommernachts-Sex-Komödie“ bei den Schlossfestspielen Ettlingen) und Stefan Stara (Absolvent der Folkwang Hochschule im Studiengang Musical, „Titanic“ in Hamburg, „Wicked – Die Hexen von Oz“ in Stuttgart, aktuell Will Parker in „Oklahoma!“ am Landestheater Detmold) als Gesangssolisten mit von der Partie, die von Marcos Padotzke (Keyboard und Dirigent bei „Wicked – Die Hexen von Oz“ in Oberhausen) am Flügel begleitet wurden.

Philippe Ducloux hat den Abend gemeinsam mit Kristin Hölck mit einem „Anything Goes“-Block eröffnet. Durch seine Moderation hat er dem Konzert eine intime, beinahe schon familiäre Atmosphäre verliehen. Die Songauswahl war – zumindest teilweise – den aktuellen Engagements der Solisten geschuldet. Wahrscheinlich war es gerade deshalb eine „bunte Mischung“ aus bekannten und nicht so häufig dargebotenen Songs. Wer in bekannt sachlicher Manier eine Songliste erwartet, wird auch diesmal nicht enttäuscht. Hier ist die

Setlist des knapp 60-minütigen ersten Teils:
  • Philippe Ducloux und Kristin Hölck: „You´re the Top“/„(You´d Be So) Easy to Love“/„It´s DeLovely“ aus „Anything Goes“ von Cole Porter
  • Stefan Stara: „Alles ist neu und toll in Kansas City“ („Kansas City“) aus „Oklahoma!“ von Richard Rodgers und Oscar Hammerstein II
  • Susanna Mucha: „Im Grünen irgendwo“ aus „Der kleine Horrorladen“ von Alan Menken und Howard Ashman
  • Stefan Stara und Susanna Mucha: „Jetzt hast Du Seymor“ aus „Der kleine Horrorladen“ von Alan Menken und Howard Ashman
  • Kristin Hölck: „Alto´s Lament“ von Zina Goldrich und Marcy Heisler
  • Kristin Hölck und Susanna Mucha: „Nur sein Blick“ aus „Jekyll & Hyde“ von Frank Wildhorn und Leslie Bricusse
  • Philippe Ducloux: „The Way Back“ aus Jekyll & Hyde“ von Frank Wildhorn und Leslie Bricusse
  • Philippe Ducloux und Kristin Hölck: „Gefährliches Spiel“ aus „Jekyll & Hyde“ von Frank Wildhorn und Leslie Bricusse

Der zweite Teil des Abends wurde von Philippe Ducloux und Migena Gjata mit einem „West Side Story“-Block eröffnet. In der Anmoderation zum Duet aus „The Last Five Years“, in dem Jamie und Cathy das einzige Mal real aufeinandertreffen, wollte Philippe Ducloux gerne noch von Ebbe und Flut erzählen, aber Kristin Hölcks Machtwort „Stop talking, start singing“ schaffte klare Verhältnisse und wurde vom Publikum mit spontanem Applaus bedacht. Wie fühlt man sich als Frau, wenn man unversehens auf der Bühne sitzt und von Philippe Ducloux mit „Oh, my love“ („Unchained Melody“) „angeschmachtet“ wird? So ist es Nina aus dem Publikum ergangen, die an diesem Tag Geburtstag hatte. Bei der Zugabe „How deep is you love“ konnte Marcos Padotzke mit zusätzlichen Strophen „Ich mag Weizenbier“ oder „Ich mag Steffi Graf“ von Guildo Horn & Die Orthopädischen Strümpfe auch gesanglich auftrumpfen.

Setlist des etwa 70-minütigen zweiten Teils:
  • Philippe Ducloux und Migena Gjata: „Something´s Coming“/„I Feel Pretty“/„Maria“/„Tonight“ aus „West Side Story“ von Leonard Bernstein und Stephen Sondheim
  • Susanna Mucha, mit Unterstützung von Philippe Ducloux und Kristin Hölck: „Lucy erklärt die Welt“ („Little Known Facts“) aus „You´re a Good Man, Charlie Brown“ von Clark Gesner
  • Kristin Hölck und Susanna Mucha: „Ich hab geträumt vor langer Zeit“ aus „Les Misérables“ von Claude-Michel Schönberg und Alain Boublil
  • Philippe Ducloux und Kristin Hölck: „The Next Ten Minutes“ aus „The Last Five Years“ von Jason Robert Brown
  • Kristin Hölck: „Ich komme voran“ („Climbing Uphill/Audition Sequence“) aus „The Last Five Years“ von Jason Robert Brown
  • Philippe Ducloux: „Unchained Melody“ von Alex North und Hy Zaret
  • Philippe Ducloux: „Why, God, Why?“ aus „Miss Saigon“ von Alain Boublil und Claude-Michel Schönberg
  • Kristin Hölck und Susanna Mucha: „Ich glaub´ an dich“ aus „Miss Saigon“ von Alain Boublil und Claude-Michel Schönberg
  • Philippe Ducloux und Migena Gjata: „Time to Say Goodbye“ („Con te partirò“) von Francesco Sartori und Lucio Quarantotto
  • Philippe Ducloux, Kristin Hölck und Susanna Mucha: „Einen Schritt zu weit“ aus „Elton John & Tim Rice´s Aida“
  • Alle: „How deep is you love“ von den Bee Gees

Insgesamt ein schöner Abend, der nicht mit übertriebenem Perfektionismus, sondern durch Atmoshäre und Spontanität der Darsteller, die auch Nähe zulassen, überzeugen konnte. Schon jetzt hat die „Backstage“-Konzertreihe ihr Publikum gefunden, sie wird mit renomierten, teilweise internationalen Künstlern fortgesetzt. Bleibt zu hoffen, dass Philippe Ducloux seine Konzerte auch weiterhin im intimen Rahmen veranstaltet, ein großer Konzertsaal würde die Atmosphäre nämlich zerstören.

Kristin Hölck

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